Skagboys 01
Als wäre diese Ankündigung nicht schon beunruhigend genug für Alison gewesen, zauberte Nora plötzlich einen imposanten Umschnalldildo hervor. Sicherlich ein Prachtstück, aber als Nora ihn anlegte, brach Alison sofort in Lachen aus. Noras enttäuschtem Gesichtsausdruck nach hätte man meinen können, dass der Dildo gerade zu einem Semiständer zusammengeschrumpelt war. Alison hatte es dann trotzdem versucht, musste sich hinterher aber eingestehen, dass nicht viel von einer Lesbe in ihr steckte.
Alison war leicht gereizt, als sie den mit Eichenholzpaneelen verkleideten Sitzungssaal des Stadtrats betrat. Die Hitze auf der Straße hatte ihr zugesetzt, die vielen geschäftig und entschlossen wirkenden Menschen sowie der schlechte Geruch, der trotz Dusche und Deo aus ihren Achselhöhlen emporstieg, gaben ihr den Rest. Igitt. Drogen- und Alkdunst … kannst dich waschen, so oft du willst, der Gestank bleibt. Sie bahnte sich ihren Weg in den hinteren Teil des zu zwei Dritteln gefüllten Saals und setzte sich hin. Ihr neuer Boss, Alexander Birch, betrat gerade das Podium. Alison war leicht beunruhigt von der Feststellung, dass der Mann mit dem modischen Haarschnitt und dem hellgrauen Anzug, der sich gerade hinter dem Rednerpult positionierte, sie irgendwie beeindruckte. Er sah so gepflegt aus wie sonst nur schwule Männer, hatte aber diesen leicht aggressiven Touch eines sportlichen Heterosexuellen.
— Mein Name ist Alexander Birch, und aus einem Grund, den ich mir nicht wirklich erklären kann, hat mich die Arbeit mit Bäumen schon immer fasziniert, begann er und sorgte damit für erheitertes Gelächter bei seinen Zuhörern. Er hatte sich schon vor einiger Zeit angewöhnt, den zufälligen und potenziell peinlichen Zusammenhang zwischen seinem Nachnamen Birch – sprich: Birke – und seinem Berufsfeld als eine Art Business-Tool einzusetzen. Nachdem sich das Publikum etwas beruhigt hatte, begann Alexander mit ernster Miene und entschlossenem Blick seine Rede. — Ich will nicht melodramatisch klingen, meine Damen und Herren, sagte er und blickte fest in die Gesichter seiner Zuhörer. — Aber ich bin hier, um über eine schreckliche Plage zu sprechen, die das Antlitz unserer wunderschönen Stadt für alle Zeiten bis zur Unkenntlichkeit entstellen könnte.
Mit einem Mal verstummte auch der letzte Unruheherd im Publikum, und Alexander hatte die volle Aufmerksamkeit aller Anwesenden, sogar die von Alison, die sich fragte, ob ihr neuer Boss nicht gerade ein wenig zu dick aufgetragen hatte.
Alison musste diesen Eindruck revidieren, als sich Alexander, das längliche Gesicht hoch konzentriert, über einen Diaprojektor beugte und die Frontansicht eines gruselig aussehenden Insekts an die Wand projizierte. Mit seinen weit ausgespreizten Beinen machte es den Eindruck, als würde es die Anwesenden zu einem Kampf herausfordern wollen.
— Das ist der Ulmensplintkäfer, auch bekannt als Scolytus multistriatus . Dieses Insekt verbreitet eine Pilzkrankheit unter Ulmen, die unweigerlich mit dem Absterben der betroffenen Bäume endet. Um den Pilz an einer weiteren Ausbreitung zu hindern, versiegelt die Ulme ihr eigenes Gewebe mit Harz. Dadurch wird allerdings auch der Transport von Wasser und Nährstoffen zur Baumkrone unterbrochen, sodass diese vertrocknet und schließlich abstirbt.
Jetzt macht er keine Witze mehr!
Das karussellförmige Magazin des Projektors drehte sich, und es erschien ein zweites Bild auf der Wand. Es zeigte einen Baum, der von oben nach unten gelb wurde.
— Die ersten Symptome einer Infektion sind die gelben Blätter an den oberen Ästen des Baums. Mitten im Sommer beginnt er sein Laub zu verlieren und sieht schon bald aus wie ein gesunder Baum im Herbst. Dieses Phänomen setzt sich von der Baumkrone nach unten in Richtung Wurzeln fort, welche sich daraufhin zurückbilden.
Alison hatte es sich mittlerweile auf ihrem Platz im hinteren Teil des Sitzungssaals bequem gemacht. Sie kreuzte die Beine und lenkte sich mit lustvollen Gedanken ab, eine Art Nebenprodukt ihres Katers und genau genommen der einzige positive Aspekt des Hangovers.
Nach unten. In Richtung Wurzel.
Dann überkam sie plötzlich ein Schaudern, und sie fragte sich, wie man ihrer Mutter helfen könnte. Mehr Tests. Mehr Chemos. Würde es dieses Mal wirken? Wahrscheinlich nicht. Sollten sie sie in ein Hospiz bringen, oder würde sie zu Hause oder im Krankenhaus sterben?
Mum …
Mit einem Mal blieb ihr der Atem weg. Leicht panisch schnappte
Weitere Kostenlose Bücher