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Skagboys 01

Skagboys 01

Titel: Skagboys 01 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Irvine Welsh
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wenn die im Zug auftauchen.«
    Nach der letzten Vorlesung des Semesters wollten Fiona, Joanne, Bisto und ich uns in einer Studikneipe ein paar Drinks genehmigen. Bevor die Sause steigen konnte, musste ich aber noch in die Sprechstunde meines Literaturdozenten Parker. Der Arsch hatte meinen Essay zu F. Scott Fitzgerald ziemlich mies bewertet. Nur 68 Prozent! Das war absolut inakzeptabel und das erste Mal, dass ich bei einer Hausarbeit unter die 70-Prozent-Marke gerutscht war. Joanne meinte zwar so was wie »Du bist echt verrückt, Mark, 68 Prozent, das ist doch richtig gut!«, ich war allerdings nicht sonderlich glücklich über dieses Ergebnis.
    Mit »richtig gut« konnte ich nichts anfangen. Schließlich hatte ich mir den Arsch aufgerissen und verdammt noch mal neue Maßstäbe gesetzt! Mein Ziel war ein erstklassiger interdisziplinärer Abschluss in Geschichte und Literatur, und »richtig gut« brachte mich da nur bedingt weiter.
    Dazu muss gesagt werden, dass ich dieses Jahr die Literaturkomponente aus der Gleichung entfernt habe. Romane zu analysieren bedeutet unterm Strich nichts anderes, als die Seele eines literarischen Werks zu sezieren, und das zerstört verdammt noch mal alles, was ich an Büchern liebe. Ich konnte einfach nicht zulassen, dass sich mein Denken in diese Richtung entwickelte, und so gab ich das Studium der Literatur auf, um mir meine Leidenschaft für Bücher zu bewahren. Ich dachte sogar eine Zeit lang darüber nach, mein Hauptfach zu wechseln, von Geschichte zu Wirtschaft.
    Normalerweise sahnte ich immer die besten Noten in meinen Kursen ab. Nur Adu, der Afrikaner, und Lu Chen, diese beängstigend strebsame Chinesin, konnten mir hin und wieder das Wasser reichen. Und nun das … 68 Prozent! Ich war fest entschlossen, dem stocksteifen Parker – dieser arroganten kleinen Wüstenrennmaus, die mit ihrer albernen Fliege so tat, als wäre sie ein Oxford-Professor – gehörig die Meinung zu geigen. Der Kerl hatte in seinen Anmerkungen zu meinem Essay tatsächlich geschrieben, dass es meine bisher schwächste Hausarbeit gewesen sei und ich Leben und Werk von F. Scott Fitzgerald sowie den Charakter des Dick Diver in Zärtlich ist die Nacht gründlich missverstanden hätte.
    Als ich in sein Büro eintrat, saß Parker gemütlich in seinem gepolsterten Schreibtischstuhl. Der Raum war ziemlich klein und über und über mit Büchern, Papieren und Loseblattsammlungen vollgestopft. Die Regale reichten bis unter die Decke. In der Ecke standen ein paar Leitern, mit denen sich auch die verstaubten Schinken in den oberen Regalreihen erreichen ließen. Der Anblick dieses kleinen, gemütlichen Refugiums samt Privatbibliothek faszinierte mich. Auf Parkers Schreibtisch stand sogar eine dieser Rolodex-Rollkarteien, die ich offiziell hasste, insgeheim aber saucool fand. Logisch, dass ich den Arsch um sein Arbeitszimmer – diesen abgeschiedenen Ruheort für ungestörte Lektüre und Grübeleien – beneidete. Einen Moment lang dachte ich darüber nach, wie komisch es war, dass ich Typen wie Parker kannte und gleichzeitig mit Kerlen wie Frank Begbie, Matty Connell und Spud Murphy abhing. Parker pflegte diesen leicht abgehobenen Look. Bestes Beispiel: die Brille mit dem goldenen Gestell auf seiner Nase. Wenn er sich mal dazu herabließ, Studis wie mich anzuschauen, hatte er dabei immer diesen fragend-bohrenden Bullenblick drauf. Man kam sich permanent so vor, als hätte man gerade irgendetwas ausgefressen. Nachdem ich Parker geschildert hatte, was mir auf der Seele brannte, meinte er nur: — Du übersiehst ein Schlüsselelement des Romans, Mark, und, ehrlich gesagt, überrascht mich das ein wenig.
    — Welches Element?, fragte ich und warf dabei einen Blick auf ein ziemlich altes Exemplar von Jane Eyre , das in dem Regal neben dem Fenster stand.
    — Ich denke, du solltest das Buch, die kritischen Essays und auch die Biografie von F. Scott noch einmal lesen, antwortete er. Dann stand er auf, um die Tür zu öffnen, denn es hatte geklopft. — Wenn du mich jetzt entschuldigen würdest, ich habe noch einen Termin …
    Als er mir den Rücken zuwandte, fuhr ich meinen Arm aus, packte das besagte Buch und ließ es in meiner Sporttasche verschwinden. Parker winkte irgend so einen bescheuerten Doktoranden-Arsch rein und bat mich mit derselben Handbewegung hinaus.
    Als ich sein Büro verließ, war ich einerseits ziemlich sauer, freute mich aber gleichzeitig darüber, dass Jane Eyre ihren Weg aus seiner Bibliothek in meine

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