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Skalpell Nr. 5

Skalpell Nr. 5

Titel: Skalpell Nr. 5 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Baden , Linda Kenney
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verschwanden in der Küche, und Jake zog sich ins Arbeitszimmer zurück. Sobald er den Raum betrat, befiel ihn Melancholie. Pete hatte dieses Zimmer geliebt. Es wirkte noch völlig unverändert, und Jake sah auch keinerlei Spuren von dem Einbruch. Er hätte schwören können, dass Petes Geist noch immer hier war. Jake schüttelte die düstere Stimmung ab und beschloss, mit den Büchern anzufangen. Er legte verschiedene Stapel an, einen für sich, einen für die Universität, einen für die Bibliothek der Gerichtsmedizin und einen für den Müll. Sein eigener Stapel wuchs rasch in die Höhe. Er hatte keine Ahnung, wo er das alles unterbringen sollte.
    Nachdem er etwa eine Stunde gearbeitet hatte, rief er nach seinem Bruder. »Sam, was treibst du eigentlich?«
    »Ich helfe Theresa, die Küche auszuräumen.«
    » Theresa? Du bist hier, um mir zu helfen.«
    Sam steckte den Kopf zur Tür herein. »Galanterie ist gut fürs Karma.«
    Jake blinzelte ihn an. Der Staub von den Büchern brannte ihm in den Augen. »Hörst du dir auch schon mal selber beim Reden zu?«
    »Von morgens bis abends. Sag mir, was ich tun soll.«
    »Als Erstes müsstest du mir Kartons besorgen. So viele du auftreiben kannst.«
    Sam zuckte die Achseln. »Ich fahr zum nächsten Getränkeladen. Die haben doch immer jede Menge Kartons. Und wir könnten Theresa ein Gläschen Wein spendieren.«
    »Du weißt doch gar nicht, wo einer ist.«
    Sam blickte gekränkt. »Ich finde schon einen.«
    Jake machte sich wieder an die Arbeit und fühlte sich zunehmend deprimiert. Nicht nur, weil es schwer war, von Petes Sachen umgeben zu sein, sondern auch, weil die Bücher einfach nicht weniger wurden – er hatte sogar alte Schulbücher von Pete gefunden –, und dabei hatte er mit den restlichen Sachen im Arbeitszimmer noch nicht einmal angefangen. Es gab mindestens ein Dutzend Kisten mit Kodachrom-Dias von Obduktionen – und auf einer, die außerdem Gefäße und Behälter enthielt, stand sein Name. Jake vermutete, dass sie noch aus der Zeit stammte, als sie beide zusammengearbeitet hatten. Außerdem waren da noch die Knochen, die uralten Laborgläser, die biologischen Proben in Behältern mit Formaldehyd. Er würde einfach alles in Kartons verstauen und zu Hause durchsehen.
    Sein eigenes Arbeitszimmer in New York war nicht so voll gestopft wie Petes, aber nur, weil Jake seine Materialien im ganzen Haus verteilt hatte. Selbst in seinem Schlafzimmer lagerten Bücher und Akten. Falls ihm mal etwas zustieß, wäre es Sams Aufgabe, seinen Haushalt aufzulösen. Der Gedanke entsetzte ihn.
    Pass auf, dass du nicht eines Tages aufwachst, sechzig Jahre alt und allein bist und die Entscheidungen bereust, die du in deinem Leben getroffen hast.
    Petes Worte. Gab es Dinge, die er in seinem Leben bereut hatte? Wahrscheinlich.
    Es klopfte an der Haustür. »Mrs. Alessis? Könnten Sie aufmachen?« Keine Reaktion. Er hörte sie in einem der Schlafzimmer Staub saugen.
    Verdrossen trottete er zur Tür und öffnete sie. Vor ihm stand eine Frau um die fünfzig, die eine schwarze Stretchhose und einen Pullover mit Blumenmuster trug. Sie war erschreckend dünn. Ihr schüchternes Lächeln ließ gelbe Zähne sehen. Als sie ihm die Hand entgegenstreckte, musste er an die Krallen einer Katze denken. Müdigkeit umflorte ihre tief liegenden Augen, und das brünette Haar war gefärbt und unordentlich.
    »Dr. Harrigan?«
    »Leider nein«, sagte Jake. »Ich bin Dr. Rosen.«
    »Ist Dr. Harrigan zu Hause?«
    »Nein.«
    »Ich hätte wohl vorher anrufen sollen. Dann warte ich eben. Es ist dringend.«
    »Hatten Sie beruflich mit Dr. Harrigan zu tun?«
    Die Frage schien sie zu befremden. »Nein. Ich habe erst vor ein paar Tagen das erste Mal von ihm gehört.«
    Seltsam. »Ich muss Ihnen leider mitteilen, dass er verstorben ist.«
    Sie blinzelte hektisch. Jake dachte schon, sie würde anfangen zu weinen. »Oh nein!«, jammerte sie. »Ich wollte doch mit ihm über meinen Vater sprechen!«
    Aha. »Ich verstehe. Ihr Vater ist gestorben, und Dr. Harrigan hat die Obduktion durchgeführt.«
    »Ich weiß nicht, wie Sie das nennen«, sagte die Frau enttäuscht, als wäre Jake schuld daran, dass Dr. Harrigan verschieden war.
    »Dr. Harrigan und ich waren Kollegen.«
    Ihre Augen erhellten sich. »Dann wissen Sie vielleicht, was mit meinem Vater passiert ist. Dr. Harrigan hat mir nur gesagt, dass er ihn gefunden hat – seine Leiche gefunden hat.«
    »Gefunden?«
    »Vergraben«, sagte sie, »in einem anonymen

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