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Skalpell Nr. 5

Skalpell Nr. 5

Titel: Skalpell Nr. 5 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Baden , Linda Kenney
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öffentlichen Wohnungsbauprojekt beteiligt zu werden, das den Zeitplan und die veranschlagten Kosten dramatisch überschritten hatte. An­geb­lich hatte sie es auf den Posten als Gouverneurin abgesehen, und Jake ging davon aus, dass ihr das auch gelingen würde. Als er vor vielen Jahren mal kurz mit ihr zusammen gewesen war (Petes Idee), hatten ihr Ehrgeiz und ihre Zielstrebigkeit ihn abgeschreckt; er vermutete, dass diese Eigenschaften sich inzwischen noch stärker ausgeprägt hatten. Markis schien das offenbar nicht zu stören. Er war Footballtrainer an einer Highschool, von Haus aus reich und von Natur aus arrogant, stand aber, wie Jake von Pete erfahren hatte, »dermaßen im Schatten seiner Frau, dass man ihn manchmal glatt übersieht«.
    Nach der Trauerfeier holte Elizabeth ihn auf der Treppe vor der Kirche ein und ging mit ihm zu Markis und den Kindern hinüber. Markis war jünger als Elizabeth, schätzungsweise Mitte dreißig, und hatte schütteres, braunes Haar und dunkle Augen. Er machte keinen Hehl aus seiner Feindseligkeit gegenüber Jake, sondern funkelte ihn an, als wäre Jake für den Tod seines Schwiegervaters verantwortlich. Wahrscheinlich hat er was gegen mich, weil ich mal mit ihr zusammen war. Ob er sich besser fühlen würde, wenn ich ihm verrate, dass ich bloß einen Kuss von ihr bekommen habe, und noch dazu einen eiskalten? Markis hatte eine Marotte: Er bestand darauf, von allen außerhalb der Familie mit Nachnamen angesprochen zu werden. Elizabeth erhob keine Einwände – vielleicht, so Jakes Vermutung, weil er dann wichtiger erschien.
    Elizabeth fasste Jakes Arm. »Kann ich dich mal kurz sprechen?« Sie war groß und dünn und hatte kastanienbraunes Haar. Jake erinnerte sich gut an ihre Schönheit, aber auch an ihre Gleichgültigkeit.
    Sie zog ihn zurück zum Kirchenportal. »Elizabeth, es tut mir ja so leid.«
    »Danke. Ich hab ein furchtbar schlechtes Gewissen, weil wir ihn nicht öfter besucht haben, aber« – ein trauriges Lächeln – »die Kinder halten einen ganz schön auf Trab, und ich hatte im Job furchtbar viel um die Ohren.«
    »Das hab ich in der Zeitung gelesen. Du musst dir keine Vorwürfe machen. Ich hab ihn auch nicht oft gesehen.«
    »Trotzdem, ich hätte eine bessere Tochter sein müssen. Immerhin kam sein Tod nicht unerwartet. Ich meine, er hatte ein schwaches Herz und konnte nicht mal zwei Sekunden still sitzen. Ich hab versucht, ihm die Schufterei auszureden. Vergeblich.«
    »Er war ein verdammter Dickkopf.«
    »Das kann man wohl sagen.« Sie putzte sich die Nase, trat näher an ihn heran. »Und dann war da noch was … Manchmal hab ich gemerkt, wenn ich ihn abends angerufen hab, dass er getrunken hatte. Ich hab praktisch nichts mehr mitgekriegt vom Leben meines eigenen Vaters. Bis Dad dann plötzlich mit der Wahrheit rausgerückt ist.«
    »Krebs«, sagte Jake, und das Wort klang fast zu laut.
    »Dann hat Dad es dir also auch erzählt.«
    »Nein. Ich hab’s mir gedacht. Was für ein Krebs war es?«
    »Bauchspeicheldrüse. Ein Todesurteil. Unheilbar, inoperabel, unbesiegbar.«
    Pete, du sturer Bock. Ich hoffe, der Rest von dem Scotch war für dich der reinste Göttertrunk .
    Ihm fiel etwas ein, was Harrigan seinen Medizinstudenten immer gesagt hatte, wenn sie das erste Mal die Leichenhalle betraten: »Das Herz beseelt das Leben. Wenn das Herz endlich aufhört zu raunen, ist der Rest Schweigen.« Er wünschte, Pete würde sein Schweigen nur noch einen einzigen Tag brechen, damit er ihm sagen könnte, wie viel er ihm bedeutet hatte.
    »Daniel und ich sind letzten Montag hingefahren, nachdem Dad und ich uns vormittags am Telefon ausgesprochen hatten und er mir eröffnet hatte, dass er krank war. Wir haben bei ihm zu Abend gegessen. Daniel ist dann zurück nach New Jersey, aber ich bin über Nacht geblieben und hab mich morgens von einem Marshal abholen und ins Büro bringen lassen. Dad wirkte ziemlich gefasst. Er hat gesagt, er kenne seinen Körper und wüsste, dass irgendwas nicht stimmt. Die meiste Zeit hat er uns von dem Fall erzählt, an dem er arbeitete, diese Geschichte mit den Skeletten, und dass du gekommen warst, um ihm zu helfen. Ich kann dir gar nicht sagen, wie froh ich bin, dass ich bei ihm war. Es war das beste Gespräch, das wir je hatten.« Sie straffte die Schultern. »Wenigstens habe ich ihn noch mal gesehen. Aber ich hätte nicht gedacht, dass es so schnell gehen würde.«
    Jake spürte einen kleinen eifersüchtigen Stich. Pete hatte sich seiner Tochter

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