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Skalpell Nr. 5

Skalpell Nr. 5

Titel: Skalpell Nr. 5 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Baden , Linda Kenney
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großer Raum mit mehreren Konferenztischen und unbequemen Stühlen öffnete. An der geschlossenen Tür gegenüber stand: CHARLES P. PARKLANDIUS , DIREKTOR. Lorna führte Manny zu einem Tisch vor einem großen Stapel Aktenbehälter, die vom Jahre 1888 bis heute reichten und offenbar für sie bereitgestellt worden waren. Die Klinik war 1869 als Anstalt für Geistesschwache eröffnet worden, wie Lorna ihr erzählt hatte, aber die erhaltenen Unterlagen begannen erst 1888.
    »Ich geh wieder nach unten«, sagte Lorna. »Falls Sie irgendwas brauchen, müssen Sie mich leider holen kommen.«
    Manny sah erleichtert zu, wie Lorna verschwand. Der Lesesaal bot einen Blick über den Hudson River, und sie hätte sich keinen angenehmeren Ort vorstellen können, um ungestört zu recherchieren. Sie griff nach der ersten Akte von 1888 und las die Namen längst verstorbener Menschen und wie sie behandelt worden waren. Das Buch hätte auch aus dem finsteren Mittelalter stammen können. Es war mit einem Symbol versehen: ein Kreis, der einen Stern umschloss.
    Andere Dokumente enthielten banalere Einträge: eine Bestellung für 150 Bettlaken und Kissenbezüge aus dem Jahre 1916; die Kosten für Laborutensilien aus dem Jahre 1925, und seltsamerweise eine Ausgabe der Baxter County Daily Gazette vom August 1963. Eine Zeitung bei den Klinikunterlagen?
    Ach so. Die ganze Titelseite war dem bevorstehenden Sommerpicknick vom Turner Mental Hospital gewidmet. Ein Foto von der Anlage, aufgenommen bei einem ähnlichen Fest im Mai, zeigte Frauen, die in Frühlingskleidern umherschlenderten, begleitet von Männern in eleganten Anzügen. Ein abgedrucktes Programm nannte die Anfangszeit und versprach ein Barbecue, einen Wettbewerb im Ringewerfen, eine Tanzveranstaltung und andere gesellige Attraktionen. Die Bevölkerung wurde herzlich zur Teilnahme aufgefordert: Eintritt 1 Dollar »zugunsten bedürftiger Patienten«. Es gab noch einige andere Fotos von dem Fest im Mai. Auf manchen waren Ärzte zu sehen, Krankenschwestern und Patienten, die zusammen mit anderen Patienten posiert hatten.
    Manny dämmerte langsam, dass das Turner Mental Hospital, wie es damals hieß, mehr gewesen war als nur eine Klinik; es war das gesellschaftliche und ökonomische Herzstück von Baxter County gewesen. Spätere Dokumente beschäftigten sich mit der letzten Namensänderung der Klinik, mit einem Unglücksfall in der Schwimmhalle, wobei fast jemand ertrunken wäre, einem Stromausfall und einem gefährlichen tollwütigen Hund. Und dann kam leider das Ende für die Einrichtung, weil die erforderlichen Mittel ausblieben. SCHWARZER TAG FÜR TURNER, verkündete eine Überschrift im Rundschreiben der Klinik.
    Schließlich entdeckte Manny eine andere Kategorie von Unterlagen: Patientenakten, die chronologisch bis zur Eröffnung der Klinik zurückreichten. Sie fing an, sie genauer zu studieren, wurde aber immer wieder durch Darstellungen von Behandlungsmethoden für vielerlei Krankheiten von Demenz bis Alkoholismus abgelenkt. Fasziniert stellte sie fest, wie sich diese Methoden im Laufe der Jahre verändert hatten.
    Alles in allem las Manny fast fünf Stunden lang und verbrachte nur die letzte damit, gezielt nach der Krankenakte von James Albert Lyons zu suchen. Sie konnte seinen Namen in keinem der Jahre zwischen dem Ende des Koreakrieges und 1964 finden, dem Jahr, in dem er verschwand. Sie dachte, sie wäre vielleicht zu schnell vorgegangen, und wollte gerade noch einmal von vorn anfangen, als sie plötzlich eher spürte als hörte, dass Lorna Meissen sich von hinten näherte.
    »Sie müssen jetzt leider gehen«, sagte Lorna. »Ich bin allein im Haus, und ich mache Feierabend.«
    Mist! »Kann ich mir ein paar Sachen kopieren?«
    Lorna reagierte abwehrend. »Ich denke, dafür müssten Sie noch mal kommen, Ms. Manfreda. Ich glaube kaum, dass das Fotokopieren von Akten erlaubt ist.«
    Manny war zu müde, um sich spontan ein passendes Gesetz einfallen zu lassen. »Gestatten Sie mir dann wenigstens noch ein Viertelstündchen?«
    »Meinetwegen. Aber ich gehe um Punkt Viertel nach vier.«
    Manny strahlte sie an. »Vielen Dank. Ich komme gleich runter.« Gott, sie war mit Jake Rosen zum Dinner verabredet und würde sich verspäten, und da sie nicht zu Mittag gegessen hatte, kam sie um vor Hunger.
    Als Lorna wieder gegangen war, blätterte Manny rasch die übrigen Akten durch. Sie öffnete einen Pappzylinder mit der Aufschrift BAUPLÄNE und schob einen davon in ihre Tasche. Die sonstigen

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