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Skalpell Nr. 5

Skalpell Nr. 5

Titel: Skalpell Nr. 5 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Baden , Linda Kenney
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toxikologische Erkenntnisse liefern. Wir entnehmen ein wenig aus beiden Augen und geben es in zwei getrennte Teströhrchen. Beachten Sie, dass die Augen gelblich sind.«
    Sie wandte sich ab. »Sagen Sie mir, wenn Sie fertig sind.«
    »Fertig«, sagte er kurz darauf. »Als Nächstes kommt die äußere Untersuchung. Für einen forensischen Pathologen ist die Haut das wichtigste Körperorgan.« Er strich mit den Fingern über die Leiche. »Wir suchen nach Spuren von Verletzungen – Schusswunden, Stichwunden, Prellungen. Hier bei Mrs. Alessis sind keine vorhanden. Keine offensichtlichen Blutergüsse, keine Würgemale am Hals. Schreiben Sie das bitte auf.«
    Sie merkte, dass Jake es ihr leichter machte, indem er ihr bei der Arbeit genau erklärte, was er gerade tat, doch das aufkeimende Gefühl von Dankbarkeit verflüchtigte sich schlagartig bei seinen nächsten Worten:
    »Helfen Sie mir, sie auf die Seite zu drehen, und halten Sie sie fest.«
    » Ich? «
    Er sah sich im Raum um. »Ich sehe sonst keinen Assistenten.«
    Ich bin nicht deine Assistentin!, dachte Manny, legte aber trotzdem den Block beiseite. Die Haut der Frau fühlte sich eiskalt an, sogar durch die Latexhandschuhe hindurch. Obwohl sie natürlich wusste, dass ein toter Körper kalt ist, hatte sie dennoch erwartet, dass er sich wie lebendes Gewebe anfühlen würde. Aber es fühlt sich an wie der Tod selbst. Sie schaffte es, nicht loszulassen, aber nur, indem sie wie gebannt auf die riesengroße Uhr an der Wand der Leichenhalle starrte. Halb zwei. Mycroft und ich müssten längst im Bett sein.
    »Die Leichenflecke am Rücken, an der Unterseite der Beine und im Nacken zeigen, dass sich die roten Blutkörperchen abgesetzt haben, während sie nach ihrem Zusammenbruch auf dem Rücken lag«, sagte er und drückte, während er sprach, auf die Haut. »Die Leichenflecke lassen sich nicht wegdrücken. Das sagt uns, dass sie vor über acht bis zehn Stunden gestorben ist.«
    »Wegdrücken?«
    »Wenn man drückt, verblasst die blau-violette Farbe nicht mehr.« Er griff nach ihrer Hand. »Ich zeig’s Ihnen.«
    Sie sah weg. »Ich glaube Ihnen.«
    »Es gibt ein altes Pathologensprichwort: ›Die erste Obduktion kuckt man sich an, die zweite macht man, und die dritte lehrt man.‹«
    »Es gibt ein anderes Sprichwort, das Ihnen eigentlich vertraut sein müsste: ›Nur über meine Leiche.‹«
    Er lachte nicht. Kein Sinn für Humor. »Lassen Sie sie jetzt langsam runter. Danke.«
    Sie legte die Leiche langsam wieder auf den Rücken und war dankbar für die Handschuhe – nicht viel, aber besser als nichts.
    »Notieren Sie weiter«, wies er sie an. »Ein Jammer, dass ich kein Diktiergerät gefunden habe. Sie hat starken dunklen Haarwuchs an Armen und Beinen. Ich werde jetzt nach einem Einstich von einer Nadel suchen, um sicherzugehen, dass sie nicht durch eine Injektion getötet wurde.« Er befestigte ein neue Klinge am Skalpellgriff und rasierte ihr die Haare von den Unterarmen, vor allem in der Nähe der Ellbogenbeuge. Dann wandte er sich ihren Beinen zu, wo die Krampfadern noch deutlicher zutage traten, je mehr Haare entfernt wurden.
    Er hantiert meisterlich mit dem Skalpell. Nicht ein einziger Ritzer. Was wäre das wohl für ein Gefühl, wenn er mir die Beine rasieren würde? Sie hoffte, er sah nicht, wie sie rot anlief. Vorübergehende Unzurechnungsfähigkeit durch Chemikalienrausch. Schluss jetzt.
    »Kein Nadeleinstich zu sehen«, sagte Jake. »Beginnen wir mit der inneren Untersuchung.«
    Na toll.
    Er schob eine frische Klinge in den Griff. »Wir müssen die inneren Organe prüfen. Das bedeutet, wir müssen sie herausnehmen.« Er trat an die Leiche, zögerte dann. »Gehen Sie ruhig einen Moment nach draußen, wenn Sie frische Luft brauchen. Neulinge kippen schon mal aus den Latschen, aber immer nur Männer, Frauen eigentlich nie.«
    Sie dachte an ihre Sandkastenerlebnisse. Verdammt, ich will nicht die Erste sein. »Mir geht’s gut.« Sie wusste, wie wenig überzeugend sie klang. Nicht mal die Leiche glaubt mir. »Nun machen Sie schon.«
    Mit ganz leichtem Druck schnitt er oben quer über den linken Brustkorb bis zur Schulter, führte dann das Skalpell unter den Brüsten hindurch zur rechten Schulter, und dann weiter bis hinunter zum Unterbauch, knapp links vom Bauchnabel.
    »Das ist der sogenannte Y-Schnitt.«
    »Wäre ich nicht draufgekommen.«
    Der dünne Schnitt weitete sich sogleich, als die Haut aufklaffte und eine regelrechte Schlucht aus Fleisch und Fett

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