Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Skalpell Nr. 5

Skalpell Nr. 5

Titel: Skalpell Nr. 5 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Baden , Linda Kenney
Vom Netzwerk:
zu. »Das ist eine Leichenhalle.«
    »Und dieser Geruch!«
    »Formaldehyd. Damit werden Gewebeproben konserviert.«
    »Es riecht furchtbar. Ist es gefährlich?«
    »Manche Leute glauben, es verursacht Krebs. Ich atme das Zeug schon seit zwanzig Jahren ein, und bislang hat’s mir noch nicht geschadet.«
    »Aber wollten Sie schon mal ein Kind zeugen?«
    Noch ein Blick. »Sehr lustig. Mal sehen, ob wir die richtige Leiche haben.« Er warf einen Blick auf den Papieranhänger am Reißverschluss des Leichensacks. Darauf stand ALESSIS , THERESA und eine Identifikationsnummer. »Richtige Leiche. Jetzt müssen wir uns umziehen.«
    »Warum sind die anderen Leichen in weißen Säcken?«, erkundigte sich Manny.
    »Die Krankenhäuser hier benutzen weiße Säcke. Die Leichen sollen vermutlich vom Bestattungsunternehmer abgeholt werden. Die werden nicht obduziert. Kommen Sie.«
    Sie verließen den Raum und gingen den Flur entlang zu einem Umkleideraum ein paar Türen weiter. Dort reichte er ihr eine grüne Chirurgenmontur. »Ziehen Sie das an. Wir können uns hinter den Spinden umziehen. Wenn Sie nicht kucken, tu ich’s auch nicht.«
    Sie beäugte das formlose Kittelhemd und die Hose und musste an Gefängniskluft denken. »Kommt nicht infrage.«
    »Glauben Sie mir«, sagte er. »Sie werden dafür dankbar sein.«
    »Kann ich nicht einfach eine große Schürze oder so über mein Kostüm anziehen?«
    »Das sollten Sie lieber nicht tun.«
    »Sagen Sie mir nicht, was ich tun oder lassen soll.« Bockig. Unziemlich. Na und? Alles, um nicht so schnell wieder in diese Leichenhalle zu müssen.
    »Meinetwegen.« Er gab ihr einen Kittel, der aussah wie ein weißer Plastikkimono mit angeschrägten Ärmeln und ihr bis zu den Knöcheln reichte. »Eine Größe für alle«, sagte er.
    Sie krempelte ihre 2000-Dollar-Ärmel hoch und legte dann die Rüstung an. Er zog den Plastikgürtel um ihre Taille und band ihn auf dem Rücken fest zusammen. Die Geste wirkte seltsam intim.
    »Manny, sind Sie noch da?« Er wedelte mit der Hand vor ihrem Gesicht herum. »Sie sollten eigentlich in Ohnmacht fallen, wenn wir die Leiche öffnen, nicht schon vorher.«
    »Tschuldigung. Ich war gerade in Gedanken …« Sie verstummte.
    Er hielt ihr ein Paar blaue Papierüberschuhe hin. »Streifen Sie die über, wenn Sie sich Ihre Schuhe nicht mit Blut und anderen Körperflüssigkeiten verzieren wollen.«
    Blut? Körperflüssigkeiten? Ihre Slingpumps – zehn Zentimeter hohe Kunstwerke aus schillerndem, rotem Wildleder mit lila-rot karierten Absätzen aus Pferdeleder – hatten Besseres verdient.
    »Sie wollen doch nicht etwa Blut und Bakterien auf Ihrem Wohnzimmerteppich verteilen«, fügte er mit blitzenden Augen hinzu. Der Mistkerl amüsiert sich, dachte Manny. Das macht ihm richtig Spaß. Ihr Magen rebellierte. Das Tiramisu, das auf dem Weg nach unten so köstlich geschmeckt hatte, stand kurz davor, wieder hochzukommen.
    Er zog sich die Chirurgenmontur an, und sie folgte ihm zurück in den Obduktionsraum, wappnete sich innerlich für den Augenblick, wenn sie die Leiche zum ersten Mal sehen würde. Aber er hatte offenbar noch einige Vorbereitungen zu treffen. Er zog einen kleinen Metalltisch mit einem rechteckigen braunen Korkbrett näher und ordnete etliche Instrumente darauf an: Klammern, Messer, Zangen, seltsam geformte Scheren, Skalpelle, Ersatzklingen, Lineale und eine Suppenkelle.
    »Das da sieht aus wie ein Steakmesser«, sagte sie und zeigte auf ein Instrument mit Holzgriff und einer gut fünfzehn Zentimeter langen Klinge.
    Jake grinste. »Ich hatte mal einen Kollegen, der seiner Frau zum Hochzeitstag zwei von den Dingern aus dem Obduktionsraum geschenkt hat.«
    »Wie romantisch. Hatte der denn noch nie was von Tiffany’s gehört – kleine hellblaue Schachteln mit hübschen weißen Bändchen drum rum?«
    Er reichte ihr ein paar Latexhandschuhe. »Ziehen Sie die an. Und das hier.« Es war eine Gesichtsmaske aus Papier. Adieu, Make-up. Er selbst hatte Handschuhe und Maske bereits angelegt.
    »Das muss doch alles ziemlich primitiv für Sie sein, oder?«, fragte sie. »In New York haben Sie doch bestimmt jede Menge komplizierte Geräte.«
    »So groß ist der Unterschied gar nicht. In der Rechtsmedizin werden seit hundertfünfzig Jahren, seit Obduktionen legalisiert wurden, die gleichen Instrumente verwendet. Und ich arbeite lieber hier als in irgendeinem modernen Gebäude, wo man praktisch nichts sehen kann. Irgendwie sind die Deckenlampen da nie über den

Weitere Kostenlose Bücher