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Skalpell Nr. 5

Skalpell Nr. 5

Titel: Skalpell Nr. 5 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Baden , Linda Kenney
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nickte sie doch ein.
    Nach zwei Stunden unruhigen Schlafs sprang sie aus dem Bett. Acht Uhr. Keine Zeit mehr, die Haare zu waschen; Mycroft musste Gassi. Sie streifte sich ihr Mikrofaserkleid von Donna Karan über und schlüpfte in passende schwarze Stiefel mit Gummisohle, in denen sie das Stück bis zu ihrem Frühstückstermin traben konnte. Als sie mit Mycroft um den Block ging, merkte sie, wie kalt es war. Deshalb zog sie, als sie wieder in ihrem Apartment war, ihren schwarzen TSE-Kaschmirmantel über und entschied sich im letzten Moment noch für einen jagdgrünen Fuchsfellkragen von Etro, um ein wenig Farbe ins Spiel zu bringen. Wie ich aussehe, käme kein Mensch auf die Idee, dass ich die letzte Nacht mit einer Leiche verbracht habe.
    Mit nur zehn Minuten Verspätung traf sie im Le Parker Meridien Hotel ein. Eine Frau, die Patrice Lyons Perez sein musste, wartete in der Lobby. Hoppla. Falsches Outfit. Ich hätte mich angemessener kleiden sollen.
    Sie hatte ihrer neuen Mandantin eine Freude machen wollen, indem sie sie zu einem schicken Frühstück im Meridien einlud, aber als sie sie jetzt vorn auf der Kante eines quadratischen modernen Sessels sitzen sah, wurde ihr klar, dass sie ihr damit keinen Gefallen getan hatte. Die Frau war hohläugig und hager, und in ihrem langen, gelben Polyesterkleid mit rosa Blümchen drauf wirkte sie unglücklich und fehl am Platze. Ein alter blauer Parka lag auf der Sessellehne, und sie sah sich in der Lobby um, als wollte sie jeden Moment die Flucht ergreifen.
    Manny setzte ein Lächeln auf und streckte die Hand aus. »Patrice. Ich bin Philomena Manfreda. Schön, Sie persönlich kennenzulernen.«
    Patrice stand auf. Die magere Hand, die sie Manny reichte, war schlaff und weich.
    »Hi«, sagte sie.
    »Danke, dass Sie den weiten Weg auf sich genommen haben. Tut mir leid, dass ich mich verspätet habe. Sind Sie gut von Queens rübergekommen?«
    »Ach, wissen Sie, ich wohne nicht bei meiner Kusine. Ich wohne hier.«
    Gütiger Himmel. Ob sie weiß, wie viel das kostet? »Im Meridien?«
    »Dr. Rosen hat das für mich arrangiert, nachdem ich ihm erzählt hatte, dass wir uns hier zum Frühstück treffen. Er hat das Zimmer im Voraus bezahlt.«
    Patrice hatte schlechte Zähne, aber ihr Lächeln war so echt und kindlich, dass Manny der Atem stockte.
    »Er hat sich um alles gekümmert«, erklärte Patrice.
    »Das war sehr nett von ihm«, sagte Manny. Und erstaunt mich nicht. Der Mann hat durchaus auch seine guten Seiten.
    »Er ist ein wunderbarer Mensch.«
    So weit würde ich nun wieder nicht gehen. »Haben Sie Hunger?«
    »Und wie. Ich hab gestern Abend nur ein Stück Pizza gegessen. Das war das Einzige hier in der Gegend, das halbwegs … erschwinglich war. Und es war trotzdem noch ganz schön teuer, zumindest im Vergleich zu daheim.«
    »Sie hätten sich was vom Zimmerservice bringen lassen sollen.«
    »Oh nein«, sagte Patrice ernst. »Das wäre nicht richtig gewesen. Ich bin kein Schnorrer, Ms. Manfreda.«
    Sie folgte Manny zu einem Restaurant um die Ecke im klassischen Manhattan-Stil: Barhocker, Decke aus Pressblech, griechische Besitzer. Aber Patrice schien ihre Umgebung nicht sonderlich zu würdigen. Sie bestellte sich ein gekochtes Ei, Toast und Tee.
    Manny begnügte sich mit Kaffee. Seit dem Abendessen hatte sie nichts mehr zu sich genommen, und sie hatte auch keinen Appetit. Noch immer hatte sie den Geruch von Formaldehyd in der Nase.
    Patrice zog einen abgegriffenen Umschlag aus ihrer Tasche und legte ihn vorsichtig auf den Tisch, nachdem sie sich zunächst vergewissert hatte, dass der auch wirklich trocken war. »Ich wollte das hier nicht mit der Post schicken. Es sind Briefe von meinem Dad. Ich habe Dr. Rosen davon erzählt, und er meinte, die könnten vielleicht hilfreich sein.«
    Ihr Engagement hat etwas Liebenswertes, dachte Manny und merkte, dass sie Zuneigung zu Patrice fasste. »Als Ihr Vater in Turner war, hat er Sie da auch schon mal angerufen? War ihm das erlaubt?«
    »Hin und wieder«, sagte sie, »aber nicht oft. Und in den zwei Monaten vor seinem letzten Brief überhaupt nicht mehr.«
    »Hat er bei seinen Anrufen je irgendwelche Freundschaften erwähnt, die er dort geschlossen hatte? Leute, mit denen er engeren Kontakt hatte?«
    »Manchmal hat er mir irgendwelche lustigen Geschichten erzählt, von Leuten, die in die Ferien gefahren sind. Aber ich glaube, das meiste war frei erfunden.«
    »Erinnern Sie sich, ob er mal eine junge Frau so um die zwanzig erwähnt

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