Skandal im Ballsaal
flüchtig hingekritzelte Notizen von Lord Marlow. Die glückliche Veranlagung Seiner Lordschaft ließ ihn binnen sehr kurzer Zeit glauben, dass, wenn er bei der Flucht seiner Tochter zu ihrer Großmutter auch nicht gerade ein Auge zugedrückt hatte, dieses Abfenteuer doch zumindest seine Zustimmung gefunden habe. Phoebe war vor allem interessiert zu erfahren, was Tom in die Stadt ge-führt hatte und wie lange er bleiben wollte.
Nun, der Squire hatte Geschäfte zu erledigen, und es war so abscheulich langweilig zu Hause, wenn man noch nicht reiten konnte oder fischen oder wenigstens spazieren gehen, dass es kaum auszuhalten war. Daher hatte Tom seinen Vater nach London begleitet. Sie waren im Reddish Hotel abgestiegen und beabsichtigten, mindestens eine Woche zu bleiben. Der Squire hatte versprochen, seinen Sohn zur Besich-tigung von ein oder zwei Plätzen mitzunehmen, die er schon lange hatte sehen wollen. Nein, nein, keine Bauwerke! Die hatte er vor Jahren kennengelernt! Interessante Plätze, so wie der Five Court und Jacksons Saloon und Cribbs Pariour und die Schloss-Taverne. Nicht auf Phoebes Linie natürlich.
Und er hatte die Absicht, Salford aufzusuchen.
„Er trug mir auf, das auf keinen Fall zu versäumen, wenn ich je in der Stadt wäre, daher werde ich es tun. Er hätte es nicht gesagt, wenn es nicht seine ehrliche Meinung gewesen wäre, nicht wahr?"
„Oh nein, aber er hat die Stadt verlassen", antwortete Phoebe. „Ich bin nicht völlig sicher, wann er zurückkehren wird, aber ich glaube, er kommt, bevor du wegfährst; er sprach so, als beabsichtige er nur kurze Zeit abwesend zu sein. Er ist auf Chance und besucht seine Mutter."
„Siehst du ihn denn?", fragte Tom überrascht.
„Ja, häufig", antwortete Phoebe und errötete leicht. „Ich habe eine seiner Cousinen kennengelernt, verstehst du, und - und so treffen wir einander oft. Aber, oh Tom, die schrecklichste Sache ist geschehen, und wenn du Salford siehst, musst du sehr achtgeben, mich nicht zu verraten! Ich fürchte mich vor seiner Rückkehr, denn wie ich ihm ins Gesicht sehen soll, weiß ich nicht!"
„Dich verraten?", fragte Tom überrascht. „Wovon zum Teufel sprichst du denn?"
„Über mein erbärmliches, erbärmliches Buch!"
„Dein - oh, das! Nun, was ist damit?"
„Es ist ein Erfolg!", sagte Phoebe tragisch.
„Guter Gott, das kann nicht dein Ernst sein? Ich hät-te es nicht geglaubt!", rief Tom und fügte eine weitere Ungeschicklichkeit hinzu: „Doch ich muss sagen, es hat einen verteufelt hübschen Einband: Sibby zeigte es mir, weißt du."
„Es ist nicht der Einband, worüber die Leute reden!", sagte Phoebe bitter. „Sie sprechen über die handelnden Personen und den Autor! Jeder will wissen, wer es geschrieben hat! Nun, verstehst du?"
Tom verstand wirklich. Er spitzte den Mund zu einem lautlosen Pfiff und sagte nach einer Minute: „Hat Salford es gelesen?"
„Nein - wenigstens - nein, er kann es gewiss noch nicht gelesen haben! Er fuhr weg, kurz nachdem es veröffentlicht worden ist."
„Ich frage mich, ob er es erraten wird?", sagte Tom lässig.
„Du brauchst keine Angst zu haben, dass ich es ausplaudern werde, aber es würde mich nicht überraschen, wenn - weißt du, was ich an deiner Stelle tun würde?" Sie schüttelte den Kopf, ihre Augen waren auf sein Gesicht gerichtet. „Ich würde es offen eingestehen", sagte Tom.
„Ich habe schon daran gedacht, das zu tun, aber wenn ich bedenke, was ich geschrieben habe ..." Sie brach schaudernd ab.
„Teuflisch schwierige Sache, das zu tun", stimmte er zu.
„Es ist ganz gleich ..."
„Ich glaube nicht, dass ich es könnte", gestand sie. „Wenn er böse sein sollte! Es macht mich krank, wenn ich mir das nur vorstelle! Und meine Großmutter sagt, ich darf es ihm auf keinen Fall erzählen."
„Nun, ich glaube wohl, sie weiß es am besten", erwiderte Tom etwas unschlüssig. „Was wirst du tun, wenn er dich dessen beschuldigt? Es leugnen?"
„Oh, nicht,Tom!", bat Phoebe.
„Ja, aber du tätest am besten daran, dich zu entschließen", beharrte er. „Ich selbst würde nicht meinen, dass er dir glauben wird: du konntest noch nie lügen, ohne schuldbewusst auszusehen!"
„Wenn er mich fragt", sagte Phoebe verzweifelt, „muss ich die Wahrheit gestehen."
„Nun, vielleicht fragt er dich nicht", sagte Tom, der bemerkte, dass sie schon ziemlich elend aussah. „Aber gib acht, dass du es sonst niemandem gegenüber erwähnst, das ist alles! Ich wette zehn zu eins, dass du
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