Skandal In Belle Terre
wieder zu seinem Stuhl zurück, setzte sich und sah den Freund abwartend an.
„Du hast Recht. Es ist vorher schon mal passiert, hier in Belle Terre. Mit siebzehn wurde Maria Elena von drei oder vier Jungen überfallen, aber sie weiß nicht, von wem. Und ich auch nicht.”
„Konnte sie keinen Einzigen erkennen?”
„Nein. Sie waren maskiert.”
„Was ist passiert? Haben sie sie angegriffen? Sie bestohlen?
Vergewaltigt?” Als Yancey sah, dass Jerichos Kiefernmuskel zuckte, starrte er den Freund entsetzt an. „Himmel, sie haben sie doch nicht etwa vergewaltigt?”
„Sie waren kurz davor.”
Yancey schloss kurz die Augen, dann atmete er einmal tief durch. „Weil sie eine Delacroix war.”
„Wie kommst du darauf?”
Yancey lachte bitter auf. „Vergiss nicht, dass ich die ersten siebzehn Jahre meines Lebens hier in diesem bigotten Kaff verbracht habe und ständig gegen die Scheinheiligkeit der so genannten ehrbaren Bürger rebelliert habe.”
„Ich weiß. Aber es war wie ein Kampf gegen Windmühlenflügel.”
„Ja, und das ist heute noch genauso. Die Stadt hat sich nicht verändert. Immer noch hassen ihre ehrenwerten Bürger kleine hübsche Mädchen, deren weibliche Vorfahren auf der falschen Straßenseite wohnten. Und schlimmer noch, sie infizieren auch ihre Kinder mit diesem Hass.” Yancey grinste. „Wenn sie wüssten, dass ich wieder in der Stadt bin, würden sie sicher auch heute noch ihre Töchter wegsperren.”
Jericho musste lachen. „Bad Boy Hamilton!” Er war damals erst fünfzehn gewesen, als der zwei Jahre ältere Freund die Stadt verließ. Yanceys Pech war gewesen, dass er schlauer war als die Lehrer der angesehenen Privatschule und er sich immer einen Spaß daraus gemacht hatte, sie vor der Klasse bloßzustellen. „Du hattest doch so viel mit deinem eigenen Rachefeldzug gegen die Stadt zu tun, dass ich mich wundere, dass dir Maria damals überhaupt aufgefallen ist.”
„ Vergiss nicht, wir hatten vieles gemeinsam. Ihr Vater war ein Säufer und meiner auch. Der Unterschied war nur, dass meiner reich war und gute Beziehungen hatte. Aber nicht nur wegen dieser Gemeinsamkeit kann ich mich an Maria erinnern. Sie fiel mir damals gleich auf, weil sie das hübscheste Mädchen der Stadt war.”
Jericho nickte langsam. „Stimmt.” Ob Maria wohl schon in Washington gelandet war? Hoffentlich war ihr Auftrag nicht wirklich gefährlich. Aber hier in Belle Terre war sie ja auch nicht sicher.
Yancey lehnte sich zurück. „Und nun ist Maria wieder hier, und die Übeltäter von damals haben Angst, sie könnte jemanden erkennen.” Yancey warf dem Freund einen scharfen Blick zu.
„So ungefähr ist es doch, oder?”
Jericho schlug die Beine übereinander und lächelte kurz. „Du warst schon früher schlauer als alle anderen und hattest eine große intuitive Begabung. Daran hat sich nichts geändert.”
„Danke. Stellen wir uns also unseren jungen Mann vor, der inzwischen natürlich erwachsen ist, wahrscheinlich Familie hat und für den es eine Menge zu verlieren gibt, wenn die alte Geschichte bekannt wird. Verständlich, dass er Maria aus der Stadt vertreiben will. Aber zwei Dinge sind mir unklar. Wo war Maria in der Nacht des Attentats? Warum hatte sie ihren Wagen auf dem Parkplatz stehen lassen?” Yancey blickte den Freund eindringlich an, aber da ihm die Sonne in die Augen schien, konnte er dessen Gesichtszüge nicht erkennen. „Und zweitens, was hast du mit dem Ganzen zu tun?”
Jericho sagte nichts und blieb bewegungslos sitzen. Das Sonnenlicht umgab ihn, aber sein Gesicht lag im Schatten. Er blickte auf den schmalen Goldreif, den Maria ihm vor vielen Jahren an einem ebenso sonnigen Tag gegeben hatte. „Maria Elena war in der Nacht mit mir zusammen.”
In den achtunddreißig Jahren seines Lebens hatte Yancey Hamilton viel ge sehen und war nicht mehr leicht zu erschüttern.
Aber Jerichos Geständnis schockierte ihn doch, auch wenn er es sich kaum anmerken ließ. Er hob nur leicht eine Augenbraue.
„Maria war mit dir zusammen? Wer wusste davon?”
„Jeder, der uns beobachtet hat. Maria hat mit mir zusammen das Fest verlassen.”
„Und sie war die ganze Nacht bei dir?”
„Ja.” Er blickte den Freund offen an. „In meinem Bett.”
Yancey schwieg. Er hatte zwar gewusst, dass Jericho und Maria schon als Jugendliche befreundet gewesen waren, aber damit hatte er nicht gerechnet. „Du hast sie wie lange nicht gesehen?
Fünfzehn Jahre?”
„Achtzehn.” Jericho seufzte
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