Skandal um Lady Amelie
nachzuspüren, wobei er sich fragte, warum ihr verblichener Gatte diese Herrlichkeiten wohl nie genossen hatte.
Sie begegnete seinen verführerischen Liebkosungen staunend, aber verhalten, hingerissen und doch scheu, bis sie sich ihm endlich öffnete, erst zögernd, dann kühn und begierig, und nach und nach dämmerte ihm, dass ihr Verhalten nur einen Schluss zuließ: Der nackte männliche Körper war ihr völlig fremd, und nicht weniger fremd waren ihr die intimen, lustvollen Regionen ihres eigenen. Sie war wirklich erstaunlich, und jedes Mal, wenn er ein Rätsel ihrer komplexen Persönlichkeit gelöst hatte, tat sich ihm ein neues auf.
Vor allem war da ein Problem, das der Dame sehr am Herzen lag und an dessen Lösung er sich gerade intensiv beteiligte, übrigens zum ersten Mal in seinem Leben mit Vergnügen anstatt Besorgnis, nämlich das Problem des Nachwuchses. Zu dem es leicht kommen konnte, da er den Grund für ihre Kinderlosigkeit nun kannte.
Träge und zufrieden, wie sie war, schlummerten ihre Hemmungen, und so ließ sie sich von seiner Glut mitreißen, ergab sich seinen fordernden, aufreizenden Händen und erwiderte seine Liebkosungen mit neu erwachtem Eifer.
Als sie später befriedigt in seine warme Umarmung geschmiegt lag, überlegte sie, welch ungeahnte Genüsse er ihr bereitet hatte. Eigentlich hätte doch er und nicht sie von diesem Arrangement profitieren sollen. Nun, natürlich hatte auch er davon profitiert. Jedenfalls hielt sie für sicher, dass er ihr Geheimnis nicht entdeckt hatte. Damit das auch so blieb, durfte er nie erfahren, welch überwältigendes Ereignis es für sie tatsächlich gewesen war.
Er streichelte sanft ihren Arm und murmelte: „Das war unglaublich. Wirklich außergewöhnlich. Wenn du so deine Seite der Abmachung erfüllst, werde ich dafür sorgen, dass du immer wieder aufs Neue in meiner Schuld stehst.“
Bei diesen Worten hüpfte ihr das Herz ein wenig, doch sie wollte keiner Selbsttäuschung erliegen. „Ich werde mich an meinen Teil halten, Sir. Wenn ich denn für eine Zeit lang einen Mann in meinem Leben haben muss, kann es genauso gut jemand sein, der aufgrund seines Rufs nicht ungebührlich unter einer weiteren gescheiterten Beziehung leidet.“
„Danke, aber es wird keine weitere gescheiterte Beziehung geben. Übrigens denke ich, es wäre an der Zeit, dass du mich Nick nennst.“
Natürlich hätte sie es auch anders formulieren können, hätte sagen können, dass sie weniger seinen Schmerz fürchtete als ihren eigenen und dass, hätte sie selbst sich einen Mann ausgewählt, es jemand wie er gewesen wäre – trotz seines Rufs. Dass die wenigen in seinen Armen verbrachten Stunden für sie ein Blick in den Himmel gewesen waren und dass sie durch ihn endlich nicht nur dem Namen nach eine Frau war. Dass er, wenn sie sich eines Tages – wie es ja wohl sein würde – trennen müssten, ihr Herz mit sich nehmen werde. Doch in ihrer Abmachung ging es nicht um Gefühle; solch rührselige Reden würde er nicht hören wollen.
Ehe sie einschlief, war ihr letzter Gedanke, dass sie ihm unbedingt noch das Porträt zeigen musste, damit es nicht wieder zu einer solch peinlichen Situation kam.
Das jedoch wurde Amelie abgenommen, denn als Lise am Morgen hereinkam, den Morgentee brachte und die Vorhänge von den Fenstern zurückzog, fiel das Licht direkt auf die gegenüberliegende Wand, von der das Porträt Lady Chesters interessiert auf die beiden Liebenden in dem zerwühlten Bett niedersah. Nun wurde Lord Elyot auch klar, warum Amelie es nicht neben das Bild ihres Gatten hatte hängen können: Es war sehr groß, die Lücken zwischen den vielen Bücherschränken und Regalen in ihrem Arbeitsraum boten nicht Platz für beide Bildnisse.
Im Jahr ihrer Heirat war sie sehr schön gewesen, mit schlankem, fein gebogenem Hals, zartem Teint und lebhaft glänzenden Augen. Der Maler hatte sie mit leicht geöffneten Lippen, wie ins Gespräch vertieft, festgehalten. Wie am gestrigen Abend trug sie auf dem Bild ihr Haar zu einer weichen, verspielten Frisur aufgesteckt; auf ihrem Schoß lag ein halb geöffneter Fächer. Nicholas rief sich das Bild ihres Gatten ins Gedächtnis, den im Verhältnis zu ihrer blühenden Jugend beträchtlich älteren, beinahe stoisch wirkenden Mann, und fragte sich angesichts dieser ungezähmten, hinreißenden Person, ob sie nicht eine bessere Partie hätte machen können. Vermutlich war ihre Mutter die treibende Kraft gewesen, deren Ehrgeiz, der Tochter Reichtum
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