Skandal
Geschäft er machte, wenn er sie zur Frau nahm. Eine eingebaute Absicherung gegen finanzielle Katastrophen.
Am liebsten hätte Emily geweint. Simon brauchte keine Versicherung gegen einen Konjunkturrückgang. Er brauchte eine Absicherung gegen die Drohung, der Skandal in ihrer Vergangenheit könnte wieder aufleben.
Emily zog die Stirn in Falten und blieb stehen, als ihr ein plötzlicher Gedanke kam. Eine Absicherung war genau das, was hier vonnöten war. Die Absicherung, daß Crofton den Mund halten würde.
Emily nahm ihr Umherlaufen wieder auf, und ihr Verstand stürzte sich auf den ersten rationalen, brauchbaren Gedanken, der ihr an diesem Abend durch den Kopf gegangen war. Je länger sie über das Problem nachdachte, desto offenkundiger wurde die Antwort.
Wenn sie Simon vor dem Skandal bewahren wollte, mußte sie sicherstellen, daß Crofton Schweigen bewahren würde. Was sie hier brauchte, war ein Plan, wie sie sich Crofton vom Hals schaffte. Und zwar dauerhaft.
Emily setzte sich abrupt auf den Stuhl am Fenster. Dauerhaft klang irgendwie gleich äußerst dauerhaft. Wenn sie eine Lösung fand, wie sie die Schulden ihres Vaters bezahlen konnte, dann war das Problem damit noch nicht gelöst. Crofton würde immer dasein und damit drohen, die Macht und die Position zu zerstören, die Simon sich mit ach so harter Arbeit selbst aufgebaut hatte.
Emily dachte lange Zeit über diese Frage nach und kam zu dem Schluß, daß sie wirklich nur zwischen zwei Möglichkeiten wählen konnte, wenn sie Simon vor ihrer Vergangenheit bewahren wollte.
Die erste bestand darin, für immer aus Simons Leben zu verschwinden und alle glauben zu lassen, sie sei eines tragischen Todes gestorben. Das Problem bestand darin, daß sie Simon gut genug kannte, um zu wissen, daß er sie suchen würde, bis er sie tot oder lebendig gefunden hatte.
Die andere Möglichkeit bestand darin, Crofton für immer verschwinden zu lassen.
Dieser letzte Gedanke verschlug Emily einen Moment lang den Atem. Crofton verschwinden zu lassen.
Als Emily wieder Luft bekam, fing sie an, logisch und klar zu denken. Und endlich fiel ihr dann ein, was sie zu tun hatte.
Es dauerte lange, bis sie aufstand, an die Verbindungstür trat und sie mit zitternden Fingern öffnete.
Simons Zimmer war in Dunkel gehüllt. Sie konnte ohne ihre Brille das Bett kaum erkennen. Einen Moment lang blieb sie stehen und schaute sich im Raum um. Ein lodernder Beschützertrieb und ein ebenso mächtiges Gefühl der Sehnsucht und der Liebe stieg in ihr auf.
»Ich werde dich beschützen, Drache«, flüsterte sie.
»Emily?« Simons Stimme klang in der Dunkelheit wie ein heiseres Knurren.
Emily zuckte heftig zusammen. »Es tut mir leid. Ich wollte dich nicht wecken.« Sie hatte nicht mehr mit ihm gesprochen, seit er kurz bei den Bridgetons aufgetaucht war. Er hatte sie nicht zum Tanzen aufgefordert - er hatte sogar eigentlich kaum ein Wort mit ihr gewechselt. Er hatte ihre Gegenwart zur Kenntnis genommen und war dann wieder verschwunden.
»Kommst du, um mich anzuflehen, Kobold?« fragte Simon ohne jede Gefühlsregung. »Denn wenn es so ist, dann solltest du besser wissen, daß du damit nur deine Zeit vergeudest. Ich werde deinen Vater nicht retten, wie ich deinen Bruder gerettet habe. Und ich werde ihn auch nicht so glimpflich davonkommen lassen wie Northcote, Canonbury und Peppington. Hier haben wir es mit einer ganz anderen Geschichte zu tun.«
Emily hörte die unerbittliche Kälte aus seiner Stimme heraus. »Ich werde dich nicht darum bitten, Papas Schulden zu bezahlen, Simon. Ich weiß, daß das zuviel verlangt wäre.«
»Du könntest mich ebensogut um die Sterne bitten. Ich habe zu lange auf meine Rache gewartet.«
»Das ist mir durchaus bewußt.«
Vom Bett her kam Schweigen. Nach einem Moment sagte Simon dann doch noch etwas, und seine Stimme war unerbittlicher denn je. »Was ist? Willst du die ganze Nacht in der Tür stehen bleiben? In diesem Nachthemd siehst du aus wie ein trübsinniger kleiner Geist.«
Emily schaute instinktiv auf den zarten hellen Musselin hinunter, der sie einhüllte. »Glaubst du das wirklich? Ich habe noch nie einen Geist gesehen.«
»Ich aber«, sagte Simon gepreßt. »Den meines Vaters. Ich schwöre, daß mich diese verdammte Geistererscheinung verfolgt hat, seit ich zwölf Jahre alt war. Aber jetzt, nach dieser langen Zeit, ist er endlich fast verbannt. Geh ins Bett, Emily.«
»Ja, Simon.« Gehorsam trat sie zurück, ging wieder in ihr eigenes
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