Skandal
seine Frau verhaftet wurde, dann würde das ein ebenso großer Skandal sein wie der, der zu erwarten war, wenn der unselige Vorfall in ihrer Vergangenheit ans Licht kam, und das wollte sie Simon nicht zumuten.
19
Simon erwartete Emilys Erscheinen in der Bibliothek. Er hatte sie kurz zuvor zu sich bestellt. Er sagte sich, es würde interessant sein zu sehen, ob sie mit dem gewohnten Eifer seiner höflichen Aufforderung Folge leisten würde. Normalerweise kam sie innerhalb von
Sekunden, nachdem einer der Hausangestellten sie davon in Kenntnis gesetzt hatte, daß der Earl sie zu sehen wünschte, durch die Tür zur Bibliothek hineingeflitzt. Emily hatte die hohe Kunst noch nicht erlernt, ihren Mann warten zu lassen.
Aber heute morgen war Simon nicht sicher, was er zu erwarten hatte. Nachdem er Emily letzte Nacht wieder in ihr eigenes Schlafzimmer getragen hatte, hatte er stundenlang wachgelegen und versucht, seinem Sieg über ihren Vater eine gewisse Befriedigung abzugewinnen. Er hatte aber an nichts anderes denken können als daran, wie kalt und leer ihm das breite Bett erschienen war, sowie Emily nicht mehr neben ihm gelegen hatte.
Es wurde kurz an die Tür der Bibliothek geklopft, und im nächsten Moment sauste Emily, die ein Vormittagskleid mit schwarzen und goldenen Drachen trug, hinein. Sie wirkte atemlos und ein wenig zerzaust. Sie hatte einen Schmierer auf der Nase und eine flotte Musselinhaube schräg auf den roten Locken sitzen.
»Du hast nach mir geschickt?« Sie blieb vor dem Schreibtisch stehen und drückte sich die Brille höher auf die Nase, während sie ihn forschend ansah.
»Ich hatte nicht vor, dich zu stören, wenn du gerade beschäftigt bist.« Simon, der sich bei ihrem Eintreten höflich erhoben hatte, setzte sich wieder und bedeutete ihr, sich ebenfalls zu setzen.
»Ich habe gerade die Reinigungsarbeiten im Salon überwacht«, erklärte Emily. »Schließlich sind es nur noch zwei Tage bis zu der Soiree. Es gibt so viele Dinge, die in letzter Minute noch getan werden müssen.«
»Ach ja. Noch mehr Vorbereitungen für die verdammte Soiree. Ich hätte es mir ja denken können.«
»Ich will, daß alles perfekt ist«, sagte Emily mit einer ruhigeren Stimme. »Mir ist durchaus bewußt, daß alles, was ich tue, darunter auch, wie ich mich als Gastgeberin in deinem Haus verhalte, auf dich zurückfällt.«
»Mach dir deshalb keine allzu großen Sorgen, meine Liebe. Meine Position in der Gesellschaft ist so gefestigt, daß es ihr nichts anhaben kann, wenn jemand ein paar Flecken auf den Teppichen im Salon oder einen Klecks auf den Gardinen findet.« Zu seinem Erstaunen wurde Emily blaß und ließ sich abrupt auf einen Stuhl sinken.
»Es gibt Flecken und Makel, die besonders schwierig zu verbergen sind. Manchmal ist man gezwungen, zu drastischen Maßnahmen zu greifen.«
Er schaute sie finster an, als er ihren seltsamen Tonfall hörte. »Emily, hast du dich an den Vorbereitungen für diese Soiree übernommen? Ich stelle genügend Personal ein, und ich erwarte von dir, daß du jeden einzelnen einsetzt. Wenn jemand darunter ist, der seine Pflicht nicht ordentlich erfüllt, dann wüßte ich gern sofort davon. Greaves wird sich dann mit dem Problem befassen.«
Auf diese Anspielung hin, einer der Angestellten könnte seine Arbeit nicht ordentlich ausführen, faßte sie sich schnell wieder. »Die Leute, die du eingestellt hast, sind wunderbar, wie du sicher selbst weißt, Simon. Jeder einzelne arbeitet sehr hart.«
Er nickte, obwohl ihre Antwort ihn nicht ganz und gar zufriedenstellte. Emily regte sich über irgend etwas auf, und er wußte, was dieses Etwas sein mußte. Sie machte sich Sorgen um ihren nichtsnutzigen Vater. »Ausgezeichnet. Es freut mich, das zu hören. Also, ich wollte dich sprechen, damit ich dir dein Manuskript zurückgeben kann.«
»Mein Manuskript?« Zum ersten Mal fiel Emilys Blick auf das Päckchen, das auf seinem Schreibtisch lag. Sie sah ihm sofort wieder in die Augen. »Das verstehe ich nicht. Warum hast du mein Manuskript? Hat Richard es zurückgeschickt?«
»Ich habe ihn dazu aufgefordert, es zurückzuschicken. Ich will ganz schonungslos sein, Emily. Er hatte bisher noch keine Gelegenheit, es zu lesen, und ich fand es nicht gehörig, daß er es liest. Ich möchte nicht, daß du seine Meinung einholst.«
»Aber er ist ein Autor, dessen Werke veröffentlicht werden. Ich dachte, er könnte beurteilen, ob Hoffnung besteht, daß mein Manuskript in eine Form gebracht werden
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