Skandal
beiden gutaussehenden jungen Bengeln angewidert ins Gesicht. »Es wäre Ihre Pflicht gewesen, sich um die Angelegenheit zu kümmern.«
»Vater hat gesagt, die ganze Geschichte sollte soweit wie möglich vertuscht werden. Wenn einer von uns Ashbrook zum Duell herausgefordert hätte, dann hätte das einen noch größeren Skandal ausgelöst«, murrte Devlin.
»Zufällig ist es nun einmal so, daß Emily in jener Nacht selbst ihre Ehre beschützt hat. Aber andererseits mußte Emily schließlich schon immer für sich selbst sorgen, oder nicht?«
Devlin sah Simon finster an. »Wovon reden Sie? Um Gottes willen, sie hat die Nacht mit ihm verbracht. Sie hat ihre Ehre verloren.«
»Nein, das hat sie nicht getan. Sie hat Ashbrook einen Nachttopf über den Schädel gezogen, und er mußte daraufhin im Hausflur übernachten.«
»Wir wissen ja selbst, daß es in Wirklichkeit genauso war«, sagte Charles ungeduldig. »Emily hat uns am nächsten Morgen alles erklärt. Aber ihr Ruf war dahin - unwiderruflich. Das hat Vater selbst gesagt.«
»Von jetzt an«, sagte Simon kalt, »ist es nie zu dem Vorfall gekommen. Und ich werde persönlich jeden, aber auch absolut jeden vernichten, der behauptet, es sei geschehen. Habe ich mich klar genug ausgedrückt, meine Herren?«
Die Zwillinge starrten ihn mit aufgesperrten Mündern an und tauschten dann versonnene Blicke miteinander aus.
»Sie können ihre beschmutzte Weste nicht einfach reinwaschen, Sir«, wagte Charles schließlich behutsam hervorzubringen. »Warten Sie es ab. Sie werden es selbst sehen«, sagte Simon.
7
»Das wäre dann alles, Higson. Sie können jetzt gehen.« Simon hörte die untypische Ungeduld in seiner eigenen Stimme, als er seinen Kammerdiener entließ. Er zog die Stirn in Falten. Die Tatsache, daß das seine Hochzeitsnacht war, hätte seine eiserne Selbstbeherrschung in keiner Weise angreifen dürfen.
»Wenn das alles war, Sir, darf ich mir dann die Freiheit herausnehmen, Ihnen zu Ihrer Hochzeit zu gratulieren?« Higson, ein kleiner, stämmiger, aber kräftig gebauter Mann, der ein wenig von einem Bullterrier hatte und schon seit zehn Jahren in den Diensten des Earls stand, da er viele der wertvollen Eigenschaften eines Dieners besaß, blieb in der Tür stehen. Kein Anzeichen wies darauf hin, daß er sich an Simons barschem Tonfall gestört hatte. In seinen blassen Augen schien sogar eindeutig ein belustigter Ausdruck zu stehen. Ein Mann, der Seite an Seite mit seinem Arbeitgeber gegen Piraten gekämpft hatte, durfte sich gelegentlich Freiheiten herausnehmen.
»Danke, Higson«, sagte Simon barsch.
»Sir.« Higson neigte den Kopf und verschwand im Korridor.
Simons Blick fiel augenblicklich auf die Tür, die sein Schlafzimmer mit Emilys verband.
Etwas in ihm spannte sich an. Aus dem Nebenzimmer waren schon seit einigen Minuten keine Geräusche mehr zu vernehmen. Seine Frau lag offensichtlich schon im Bett und erwartete ihn.
Seine Frau. Simon starrte die Verbindungstür an und erinnerte sich wieder daran, wie Emily tagsüber ausgesehen hatte, als sie die Dorfkirche betreten hatte, in der sich Menschenmengen drängten. Sie war eher behutsam durch den Gang geschritten, was auf ihre unbeirrbare Weigerung zurückzuführen war, ihre Brille zu tragen. Doch das leichte Zögern ihrer Schritte in Verbindung mit dem scheuen Blick ihrer grünen Augen hatte ihr die Aura einer Märchenprinzessin verliehen, die sich in eine fremde neue Welt hinauswagt. Ihr weißes Kleid, das mit silbernen Bändern eingefaßt war, hatte diese Wirkung noch mehr herausgestellt. Simon hatte zu seinem Erstaunen festgestellt, daß er sich sofort als ihr Beschützer fühlte, der eifersüchtig über sie wachte.
Die gesamte Dorfbevölkerung hatte sich fein herausgeputzt und war erschienen. Es bestand kein Zweifel daran, daß Little Dippington diese Verbindung billigte. Unter den Mitgliedern des Literarischen Zirkels blieb nicht ein einziges Auge trocken.
Die unerwartete Faszination, die seine neue Braut auf ihn ausübte, hatte bewirkt, daß er die Gegenwart von Broderick Faringdon und Emilys Brüdern regelrecht ignoriert hatte. Alle drei hatten das Zeremoniell mit mißmutigen Blicken verfolgt, die ihn zutiefst befriedigten, ganz so, als würde Emily nach Australien abtransportiert, wobei sie doch statt dessen zur reichen Gräfin wurde.
Natürlich, sagte sich Simon, als er die Verbindungstür öffnete, war Emily für die Faringdons jetzt sozusagen ebenso sehr verlorengegangen, als hätte man sie
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