Skandalöse Küsse - Scandal Becomes Her
verzeihen. Ein kleines geheimes Lächeln spielte um ihren Mund. Und noch etwas steigerte ihre Freude: Julians körperliche Liebe war in den vergangenen Tagen von so erlesener Zärtlichkeit gewesen, dass sie erbebte, wenn sie nur daran dachte.
Ihre schwarzen Augen auf Nells Gesicht gerichtet bemerkte Mrs. Weston: »Aber, man darf natürlich nicht vergessen, dass es nicht das erste Mal ist, dass Seine Lordschaft sich derartige Hoffnungen gemacht hat. Enfin , wir wollen hoffen, dass sie nicht wieder enttäuscht werden wie letztes Mal.«
»Was für eine schreckliche Bemerkung!«, rief Lady Diana empört und betrachtete Mrs. Weston, als habe sie sich in eine Schlange verwandelt.
»Aber, aber, ich bin sicher, Sie haben das nicht so gemeint, wie es klang«, erklärte die Frau des Squire bestimmt, und ihre sonst freundliche Miene verriet Missbilligung. Sie schaute Mrs. Weston finster an. »Ich bin sicher, Sie können das Missverständnis aufklären.«
»Ja«, sagte Nell ruhig, »es wäre vielleicht gut, wenn Mrs. Weston erläuterte, was genau sie sagen wollte.«
»Oh, ich habe gar nichts damit sagen wollen«, widersprach Mrs. Weston. »Aber es stimmt doch, nicht wahr, dass es nicht das erste Mal ist, dass Seine Lordschaft sich auf die Geburt seines Kindes freut? Und dass das Kind und dessen Mutter, seine liebe arme Gemahlin, gestorben sind? Er kann wohl kaum vermeiden, daran zu denken.«
»Aber diese Tragödie hat doch nichts mit meinem Kind zu tun, oder?«, entgegnete Nell. »Ich bin sicher, dass Sie mich nicht beunruhigen wollten, aber wie anders soll ich Ihre Bemerkung verstehen?«
» Je vous demande pardon! Sie haben mich falsch verstanden«, antwortete Mrs. Weston steif. »Ich wollte nichts Böses - lassen Sie uns von anderen Themen sprechen.«
Mrs. Chadbourne und Lady Diana waren dem Vorschlag nicht abgeneigt, und innerhalb weniger Minuten hatte sich die Unterhaltung Lady Dianas Plänen für die Renovierung des Dower House zugewandt. Elizabeth, die ruhig, wie es sich für eine so junge Dame geziemte, zwischen den älteren Frauen saß, lächelte Nell herzlich zu und beteiligte sich an dem Gespräch. Mrs. Weston folgte ihrer Führung ohne Verzug, und bald schon waren die Damen ganz darin aufgegangen, verschiedene Stoffe und andere Veränderungen am Haus zu diskutieren, die Lady Diana plante.
Nell lauschte mit halbem Ohr, ihre Gedanken waren bei Mrs. Weston. Sie bemühte sich sehr, Julians Verwandte zu
mögen, aber diese Französin hatte etwas an sich, das ihr unangenehm war. Vielleicht hätte sie nicht so empfindlich reagieren sollen auf Mrs. Westons Bemerkung? Wenn Lady Diana so etwas gesagt hätte, hätte sie es einfach als gedankenloses Geschwätz abgetan, aber bei Mrs. Weston konnte sie das nicht. Einer Sache war sich Nell sicher: Mrs. Westons Worte waren absichtlich gefallen - und an ihnen war nichts unschuldig.
Als Lady Diana sich auf einen Stuhl neben Mrs. Weston setzte, um ihr in allen Einzelheiten eine Maßnahme zu beschreiben, die im Witwensitz gerade durchgeführt wurde, nahm Mrs. Chadbourne den frei gewordenen Platz ein.
»Achten Sie nicht weiter auf Sophie«, riet ihr Mrs. Chadbourne leise. »Sie kann eine stolze und wenig liebenswerte Frau sein, aber ich glaube nicht, dass sie es böse meint. Es ist ihr völlig egal, was die Leute denken, und sie spricht, ohne innezuhalten und die Gefühle anderer zu berücksichtigen.«
»Kennen Sie sie schon lange?«
»Oh, Himmel, ja. Seit sie den Onkel Seiner Lordschaft geheiratet hat - vor dreißig Jahren oder sogar mehr.« Mrs. Chadbourne seufzte. »Nicht, dass es nicht Zeiten gegeben hat, da ich mir gewünscht hätte, er hätte eine nettere und umgänglichere Frau geheiratet, lassen Sie sich das sagen. Aber es ging nicht anders: Sie hatte ein Vermögen, und Weston brauchte es.« Sie wirkte nachdenklich. »Ich denke, es war trotzdem eine gute Ehe. Es stand nie außer Frage, dass es keine Liebesheirat war. Harlan liebte Charles’ und Johns Mutter Letty von ganzem Herzen, und als sie starb …« Ein trauriger Ausdruck legte sich auf ihre Züge. »Es war eine schlimme Zeit für uns. Wir waren alle miteinander aufgewachsen, und als Letty starb … Nun, als sie starb, starb auch etwas in Harlan.«
Sie schüttelte die betrüblichen Erinnerungen ab, fuhr rasch fort. »Sophie war, was Stonegate brauchte, und Weston wusste das. Er war, denke ich, zufrieden mit seiner Lage.« Sie lächelte. »Und er war glücklich, wieder Vater zu werden, und hatte auch keine
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