Skandalöse Küsse - Scandal Becomes Her
Kratzer. »Dafür wirst du mir bezahlen, und zwar teuer, ehe ich mit dir fertig bin.«
Er blickte zu seiner Mutter. »Mutter? Bist du verletzt?«
Mrs. Weston wankte aus der Zelle, rang keuchend um Atem. »Sie hat mich getreten. In den Bauch.«
Nell, die sich in eine stehende Position gekämpft hatte, behielt die beiden im Auge. Sie selbst war auch nicht ungeschoren davongekommen; ihre Handgelenke waren aufgescheuert und blutig von den Stricken, ihre Rippen schmerzten, ihr
Kleid war an einer Schulter aufgerissen, und ihr verfluchtes lahmes Bein tat weh. Eine Schramme an ihrem Kinn brannte, und sie wusste, dass ihr eines Auge bald auch so blau und geschwollen sein würde wie das von Mrs. Weston - wenn ich lange genug lebe, dachte sie.
Mit dem Rücken an der Steinmauer stand sie den beiden gegenüber, überlegte, was sie als Nächstes tun sollte. Ihr Blick fiel auf den Boden, blieb einen Moment an dem Abflussloch auf der einen Seite hängen, eben dem Loch, in das sie Raoul so viele Leichen hatte werfen sehen. Von hier wanderten ihre Augen weiter zu dem blutbefleckten Stein in der Mitte des Raumes, und sie musste schlucken. Ihre Albträume waren genau gewesen, zu genau, wie sie sich beinahe hysterisch eingestand. Bilder von anderen Frauen zuckten durch ihren Kopf, und sie schwor sich, dass sie lieber sofort sterben würde, als sich von Raoul an den Stein binden zu lassen, wie sie es ihn bei den andern hatte tun sehen.
Verzweifelt blickte sie sich nach einer Waffe um, nach irgendetwas, das als Waffe benutzt werden konnte, aber es war nichts da. Außer … Ihr Blick verweilte auf der Laterne, die an der Wand hing, nur ein paar Fuß von ihrer Hand entfernt. Auf dem Boden lagen alte Binsen und Blätter, ein paar Zweige und anderer Unrat. Sie schaute zu dem Ausgang auf der anderen Seite des Kerkers, der zu den Stufen und damit aus dem Verlies und in die Freiheit führen musste. Wenn ich nur …
Raoul bemerkte die Richtung ihres Blickes und lachte. »Das werden Sie nie schaffen.« Ein hässliches Lächeln glitt über sein Gesicht. »Aber nur zu - die Jagd wird das Ende nur umso süßer machen.«
»Bring sie einfach um und fertig«, verlangte Mrs. Weston. »Du kannst nicht zu lange wegbleiben, sonst vermisst man dich.«
Raoul berührte sein Gesicht. »Das hier muss erklärt werden. Ich kann nicht einfach zu ihnen zurückkehren, solange ich so aussehe.«
»Das ist alles deine Schuld«, fauchte Mrs. Weston und starrte Nell an. »Wenn du meinen Neffen nicht geheiratet hättest, wäre nichts von alledem je geschehen. Du hast beinahe alles zerstört. Alles.«
Nell starrte sie verblüfft an. Das hier war ihre Schuld?
»Wieso soll ausgerechnet ich daran schuld sein - schließlich haben Sie mich hergebracht«, widersprach sie.
»Du bist uns im Weg«, erklärte Mrs. Weston. »Alles lief wie am Schnürchen, ehe du aufgetaucht bist. Ich hatte immer gehofft, dass das Schicksal es Raoul gestatten würde, eines Tages Wyndhams Titel zu übernehmen, aber anfangs waren zu viele Leute vor ihm, als dass es wahrscheinlich war. Aber dann starb Julians Frau, ohne ihm einen Erben zu schenken, dann John … und mein Ehemann und Julians Vater. Daniels Tod war ein Geschenk der Vorsehung, ein echter Glücksfall, der uns klar machte, dass der Traum in Reichweite war. Daniel war tot, Julian ohne Erben - da stand nur noch Charles zwischen Raoul und dem Titel.«
»Und niemand«, fügte Raoul hinzu, »wäre überrascht gewesen, wenn Charles auf seiner Yacht gestorben wäre, als sie gesunken ist, oder sich den Hals gebrochen hätte auf der Jagd - oder wenn ein eifersüchtiger Ehemann ihn umgebracht hätte. Wir hatten geplant, dass Julian ein oder zwei Jahre später stirbt - wenn wir das Gefühl hatten, es sei sicher, ihn zu töten, ohne Verdacht zu erregen.«
»Ein Unfall, natürlich, und dann wäre mein Sohn der Earl geworden«, sagte Mrs. Weston, und der selbstgefällige Ton in ihrer Stimme weckte in Nell den Wunsch, ihr die Hände um die Kehle zu legen. »Wyndham hätte ihm gehört.« Sie bedachte
Nell mit einem boshaften Blick. »Aber dann bist du des Wegs gekommen. Du und das Balg, das du trägst, hätten beinahe alles zerstört.«
»Ich bin überrascht«, erklärte Nell, »dass Sie mich nicht schon vorher umgebracht haben.«
»Das hätte ich gerne«, erwiderte Raoul unbekümmert, »aber es musste ja wie ein Unfall aussehen, und Sie waren nie allein. Sie waren immer sicher in Wyndham Manor oder mit einem meiner Cousins zusammen, in
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