Skeleton Key: Alex Riders Dritter Fall
diesem Augenblick war sie absolut sicher, dass er tot war. Er atmete nicht mehr. Seine Augen waren geschlossen. In panischer Angst schlug Sabina mehrmals auf seine Brus t – einmal, zweima l – und wurde belohnt: Mit einem plötzlichen Würgereiz spuckte Alex Wasser aus und kam zu sich. Inzwischen waren auch andere Surfer herbeigekommen. Einer von ihnen rief über sein Handy den Notarzt. Von dem Mann mit dem Jet-Ski war nichts mehr zu sehen.
Alex hatte unwahrscheinliches Glück gehabt. Wie sich herausstellte, hatte er den Cribber fast bis zum Ende gesurft. Die Welle war praktisch erschöpft gewesen, als Alex unterging. Eine Tonne Wasser war über ihm zusammengeschlagen, aber fünf Sekunden früher hätten es leicht zehn Tonnen sein können. Und Alex war auch nicht mehr sehr weit vom Ufer entfernt gewesen, als Sabina ihn fand. Sie hatte ihn buchstäblich aus dem Meer gezogen wie einen Fisch, der im Netz zappelte. Etwas weiter draußen hätte sie ihn vermutlich gar nicht mehr gefunden.
Das war vor fünf Tagen gewesen.
Jetzt war es Montagvormittag, Wochenanfang. Alex saß in Rau m 1605 im 16 . Stockwerk eines gesichtslosen, unscheinbaren Gebäudes in der Liverpool Street. Wie oft schon hatte er sich geschworen, diesen Raum nie mehr zu betreten? Der Mann und die Frau, die ihm gegenüber saßen, waren so ziemlich die letzten Leute, die er sehen wollte.
Und trotzdem saß er hier.
Wie gewöhnlich schien Alan Blunt auch dieses Mal keineswegs erfreut, Alex wiederzusehen; er beschäftigte sich viel eingehender mit Alex’ Akte, die vor ihm lag, als mit dem Jungen selbst. Heute war das fünfte oder sechste Mal, dass Alex dem Mann begegnete, der bei MI6 die Abteilung Spezialoperationen leitete, aber trotzdem wusste er kaum etwas über ihn. Blunt war ungefähr fünfzig und alles an ihm war unauffälli g – der Mann, sein Anzug und sein Büro. Er schien nicht zu rauchen und Alex konnte sich auch nicht vorstellen, dass er Alkohol trank. Verheiratet? Kinder? Ging er am Wochenende im Park spazieren, angelte er, sah er Fußballspiele im Fernsehen oder im Stadion? Alex bezweifelte es. Er fragte sich, ob Blunt außerhalb dieser vier Wände überhaupt existierte. Ein Mann, der völlig von seiner Arbeit bestimmt wurde, der sein ganzes Leben geheimen Angelegenheiten widmete und dessen Leben am Ende selbst ein Geheimnis geworden war.
Blunt blickte von dem penibel getippten Bericht auf. »Crawley hatte nicht das Recht, dich in diese Sache hineinzuziehen«, sagte er missbilligend.
Alex schwieg. Ausnahmsweise war er derselben Meinung.
»Das Wimbledon-Tennisturnier. Du wärst beinah ums Leben gekommen«, stellte Blunt ohne großes Bedauern fest und sah Alex fragend an. »Und was war mit der Sache in Cornwall? Ich mag es nicht, wenn meine Agenten gefährliche Sportarten betreiben!«
»Ich gehöre nicht zu Ihren Agenten!«, widersprach Alex.
Blunt überging seinen Einwurf. »Der Job ist schon gefährlich genug«, fuhr er fort, »völlig unnötig, ihn noch gefährlicher zu machen. Was ist eigentlich aus dem Mann auf dem Jet-Ski geworden?«, wollte er wissen.
»Er wird zurzeit von uns verhört«, antwortete Mr s Jones.
Die stellvertretende Abteilungsleiterin trug einen grauen Hosenanzug und hatte eine Lederhandtasche neben ihren Stuhl gestellt, die ebenso schwarz war wie ihre Augen. Am Kragen ihres Blazers befand sich eine Silberbrosche, die einem winzigen Dolch glich. Ziemlich passend.
Mr s Jones hatte Alex als Erste besucht, als er sich im Krankenhaus von Newquay erholte. Wenigstens sie schien sich gewisse Sorgen um das zu machen, was Alex zugestoßen war, aber natürlich hatte sie wie immer keine Gefühle gezeigt. Wäre sie nach ihren Gefühlen gefragt worden, hätte sie sicherlich geantwortet, dass sie niemanden verlieren wolle, der so nützlich sei und der vielleicht bald wieder sehr nützlich sein könnte. Alex glaubte allerdings, dass das nur eine Seite der Medaille war: Mr s Jones war eine Frau und er war ein 14-jähriger Junge. Wenn Mr s Jones einen Sohn gehabt hätte, wäre er jetzt ungefähr in Alex’ Alter. Diese Tatsache, die sie offenbar nicht völlig ignorieren konnte, machte den Unterschied aus.
»Auf dem Arm des Mannes befindet sich eine Tätowierung«, fuhr sie fort. »Offenbar ist auch er Mitglied der ›Big Circle Gang‹.« Sie wandte sich Alex zu. »Big Circle ist eine relativ neue Triade«, erklärte sie. »Und sie ist leider auch eine der gewalttätigsten.«
»Das ist mir auch schon aufgefallen«, sagte
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