Skeleton Key: Alex Riders Dritter Fall
Cribber!«
Das konnte doch nicht wahr sein! Der Cribber, hier, am Strand von Fistral! Alex hatte den Namen schon oft gehört. Der Cribber war zur Legende geworden, nicht nur hier in Cornwall, sondern überall in der gesamten Surfwelt. Im September 1966 war er zum ersten Mal nachweisbar aufgetreten, ein Monster von mehr als sechs Metern Höhe, die größte Welle, die jemals die englische Küste heimgesucht hatte. Seither hatte es immer mal wieder Berichte vom Auftauchen des Cribbers gegeben, aber wenige hatten ihn tatsächlich gesehen und noch weniger waren auf ihm gesurft.
»Der Cribber! Der Cribber!« Die anderen Surfer riefen sich den Namen zu, sie jauchzten und jubelten. Alex sah, dass sie am Strand herumhüpften, ihre Surfbretter hoch über den Köpfen schwenkend. Plötzlich war ihm klar, dass er ins Wasser gehen musste. Er war zu jung. Die Wellen waren zu hoch. Aber er würde es sich selbst nie verzeihen, diese einmalige Chance verpasst zu haben.
»Ich geh rein!«, schrie er und rannte los. Das Board, dessen Ende mit einer reißfesten Urethan-Fangleine mit seinem Knöchel verbunden war, hielt er vor sich. Aus dem Augenwinkel sah er Sabina, die ihm mit erhobenem Daumen Glück wünschte, aber dann hatte er auch schon das Meer erreicht und spürte den eiskalten Griff des Wassers um seine Knöchel. Er schleudert das Board vor sich ins Wasser und warf sich mit einem Hechtsprung darauf. Der Aufprall trieb das Board vorwärts. Und dann lag er flach auf dem Bauch und paddelte wild mit beiden Händen. Dieser Teil war am anstrengendsten. Alex konzentrierte sich auf Arme und Schultern und hielt den Rest des Körpers völlig still. Er hatte noch einen langen Weg vor sich und würde dafür seine ganze Kraft brauchen.
Vom Ufer war Motorengeräusch zu hören. Alex sah, dass der Jet-Ski jetzt auf das offene Meer hinaussteuerte. Er wunderte sich darüber, denn solche Wasserfahrzeuge waren in Cornwall recht selten und diese Maschine hatte er noch nie am Strand gesehen. Normalerweise zog man damit die Surfer zu den größeren Wellen hinaus, aber der Mann auf diesem Jet-Ski war allein. Alex konnte ihn flüchtig sehen; der Fahrer trug einen Neoprenanzug und hatte die Kapuze hochgezogen. Wollte e r – oder si e – tatsächlich mit der Maschine auf dem Cribber surfen?
Aber er vergaß die Sache sofort wieder, denn seine Arme wurden müde und er hatte noch nicht einmal die Hälfte der Strecke zurückgelegt. Mit zu Halbschalen geformten Händen pflügte er durch das Wasser. Jetzt konnte er erkennen, wo die Wellen brachen, er war nur noch etwa 2 0 Meter davon entfernt. Vor ihm wuchs ein Wassergebirge in die Höhe und er tauchte darunter durch. Einen Augenblick lang war er blind. Er schmeckte das Salz auf der Zunge und eiskaltes Wasser hämmerte gegen seinen Schädel. Doch dann tauchte er auf der anderen Seite wieder auf, richtete sofort den Blick auf den Horizont und paddelte mit doppelter Anstrengung weiter.
Alex musste eine Pause einlegen, um Luft zu schöpfen. Plötzlich wurde alles ganz still. Unbeweglich lag er auf dem Surfboard und ließ sich von den Wellen hinauf- und hinabwiegen. Er warf einen kurzen Blick zurück und war überrascht, wie weit draußen er war. Sabina saß am Ufer und beobachtete ihn, aber auf diese Entfernung war sie nur ein winziger Fleck auf dem langen Sandstrand. Der nächste Surfer war ungefähr 3 0 Meter entfernt, zu weit, um ihm helfen zu können, wenn etwas schieflief. Alex spürte die Angst wie einen schweren Stein im Magen und fragte sich, ob er nicht doch ein wenig vorschnell gewesen war, ganz allein bei diesem Wellengang hinauszugehen. Aber er hatte jetzt keine Zeit mehr für Bedenken.
Er fühlte ihn, bevor er ihn sah. Es war, als sei die ganze Welt in diesem winzigen Augenblick zum Stillstand gekommen, als atme die Natur zum letzten Mal tief ein. Alex richtete den Blick wieder auf das Meer hinaus. Da war er. Der Cribber kam. Die Monsterwelle schien sich förmlich auf ihn zu stürzen. Zum Umkehren war es endgültig zu spät.
Ein paar Sekunden lang starrte Alex mit einer Mischung aus maßlosem Staunen und blankem Entsetzen auf den tosenden, rollenden, donnernden Wellenberg. Es war, als sei ein vierstöckiges Gebäude aus dem Boden gerissen worden und stürzte jetzt auf die Straße. Ein Gebäude, das völlig aus Wasser bestand, aber aus lebendigem Wasser: Alex spürte seine ungeheure Kraft. Furcht einflößend bäumte sich der Cribber vor ihm auf. Stieg immer höher über ihn hinaus, bis er den
Weitere Kostenlose Bücher