Skeleton Key: Alex Riders Dritter Fall
einbauen lassen. Wie alt war der Junge wohl? Vierzehn? Fünfzehn? Jedenfalls nichts weiter als ein ganz gewöhnlicher amerikanischer Junge, der zwei Wochen am Strand verbringen wollte.
Rodriguez fasste einen Entschluss. Er zog die Hand von dem roten Alarmknopf zurück. Besser, jedes Aufsehen zu vermeiden. Er schaute zu, wie die Familie in der Menschenmenge verschwand.
Aber er verlor sie trotzdem nicht völlig aus seinem Blickfeld. Nur um sicherzugehen, würde Rodriguez später einen Bericht schreiben und mit Fotos und Fingerabdrücken an die Ortspolizei auf der Skelettinsel schicken. Eine Kopie würde an den einflussreichen Herrn geliefert werden, der im Casa d’Oro wohnte. Und vielleicht würde auch jemand im Hotel Valencia postiert werden, um die Neuankömmlinge im Auge zu behalten.
Rodriguez lehnte sich in seinem Sessel zurück und zündete eine Zigarette an. Inzwischen war ein weiteres Flugzeug gelandet. Er beugte sich vor und studierte aufmerksam die neu ankommende Menschenmenge.
D as Valencia war eines jener erstaunlichen Hotels, die Alex bisher nur als Traumgewinn bei TV-Shows kannte. Es versteckte sich in einer sichelförmigen Bucht. Das Hotel bestand aus einem niedrigen Hauptgebäude mit Rezeption, das fast in einem Dschungel von exotischen Büschen und Blumensträuchern verschwand, und einer Reihe von Mini-Bungalows, die am Strand entlang aufgereiht waren. Im inneren Ring der halbkreisförmigen Anlage befand sich ein Swimmingpool mit einer Insel in der Mitte, die als Bar diente. Die Barhocker standen im Wasser, so dass nur die Sitzflächen herausragten. Die ganze Hotelanlage schien in eine Art Mittagsschlaf gefallen zu sein. Das galt auf jeden Fall für die Hotelgäste, die Alex sah. Sie lagen bewegungslos in den Liegestühlen.
Alex und seine »Eltern« teilten sich einen Bungalow mit zwei Schlafzimmern und einer Veranda, die von einem überhängenden Strohdach beschattet wurde. Neben dem Bungalow stand eine Palmengruppe, davor erstreckte sich der weiße Sand bis zum unwirklich blauen Meer der Karibik. Alex setzte sich kurz auf das Bett. Als Bettdecke diente ein einfaches weißes Laken. An der Decke rotierte langsam ein Ventilator. Ein Vogel mit leuchtendem gelbem Gefieder ließ sich kurz auf der Fensterbank nieder, dann flatterte er in Richtung Meer, als wolle er Alex einladen.
»Darf ich schwimmen gehen?«, fragte Alex. Normalerweise hätte er nicht gefragt, aber er dachte, dass es wahrscheinlich besser zu seiner Rolle passte.
»Natürlich, Liebling!« Troy packte gerade ihren Koffer aus. Sie hatte Alex bereits gewarnt, dass er auch hier im Hotelbungalow seine Rolle als Sohn spielen müsse. Durchaus möglich, dass die Bungalows verwanzt waren. »Aber sei vorsichtig!«
Alex zog seine Badeshorts an und rannte zum Meer.
Das Wasser war fantastisch, warm und kristallklar. Nirgendwo sah er Steine; der Sand bildete einen wunderbar weichen Teppich. Winzige Fische schwammen in Schwärmen um ihn herum und schossen in alle Richtungen davon, sobald er die Hand ausstreckte. Zum ersten Mal in seinem Leben empfand Alex eine gewisse Dankbarkeit, dass ihm Alan Blunt begegnet war. Das Leben hier war auf jeden Fall angenehmer, als in West-London herumzuhängen. Endlich einmal liefen die Dinge so, wie er es sich wünschte.
Er schwamm ans Ufer zurück und stieg in eine Hängematte, die man zwischen zwei Palmen gespannt hatte. Jetzt endlich konnte er sich entspannen. Es war inzwischen halb fünf, aber es war noch immer so heiß wie bei ihrer Ankunft. Ein Kellner trat zu ihm; Alex bestellte ein Glas Limonade und ließ es auf die Rechnung seines Bungalows setzen. Das mussten seine »Eltern« bezahlen.
Elter n – Mutter und Vater.
Er schwang leicht in der Hängematte hin und her. Das Wasser tropfte aus seinem Haar und trocknete auf seiner Brust. Alex fragte sich, wie seine Eltern wohl gewesen wären, wenn sie nicht bald nach seiner Geburt bei einem Flugzeugabsturz ums Leben gekommen wären. Und wie wäre es für ihn gewesen, wenn er in einem normalen Haus aufgewachsen wäre? Wenn er eine Mutter gehabt hätte, die ihn hätte trösten können, wenn er sich verletzt hatte, oder einen Vater, der mit ihm gespielt und ihm ab und zu Geld geliehen hätte? Oder dem er manchmal hätte aus dem Weg gehen müssen, wenn er etwas angestellt hatte? Er wäre sicherlich ein ganz gewöhnlicher Junge geworden, der sich höchstens um seine Schulnoten Sorgen machen musst e – und nicht um Spione und Händler und explodierende Schiffe.
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