Skelett
blieb vor dem Zimmer mit der Nummer zehn stehen. Erstaunlicherweise besaß die Tür ein Sicherheitsschloss, das Marler unmöglich geräuschlos öffnen konnte. Bekäme der Bewohner des Zimmers aber mit, dass sich jemand an der Tür zu schaffen machte, würde er sofort über die Feuerleiter das Weite suchen.
Also schlich sich Marler leise wieder nach unten, wo Mrs Hogg immer noch hinter dem Empfangstresen saß.
»Wenn Ihnen Ihr Leben lieb ist, rufen Sie den Mann nicht an. Er ist ein äußerst gefährlicher Verbrecher …«, warnte er die Frau, bevor er die Pension verließ.
Draußen rannte er um das Haus herum und kletterte rasch die rostige Feuerleiter hinauf, die von der schmalen dunklen Gasse hinauf zum Fenster von Zimmer Nummer zehn führte. Oben angelangt, spähte er vorsichtig durch einen Spalt im Vorhang hinein in das Zimmer, das von einer Nachttischlampe erleuchtet wurde. Das Bett war leer, und auch sonst war in dem engen Raum, der über kein eigenes Badezimmer, sondern nur über ein nicht besonders sauber wirkendes Waschbecken verfügte, kein Mensch zu sehen. Der Vogel war ausgeflogen, dachte Marler. Vermutlich hatte er das leise Knarren der Treppe doch gehört. Marler untersuchte das Fenster und stellte erleichtert fest, dass es einen Spalt weit offen stand.
Er nahm das Armalite-Gewehr aus der Tasche, die er sich über die Schulter gehängt hatte, und setzte es zusammen. Dann schob er so leise wie möglich das Fenster nach oben und ließ sich über das Fensterbrett ins Zimmer gleiten.
Marler ging zur Zimmertür, und als er feststellte, dass sie abschlossen war, eilte er zurück zum Fenster, kletterte die Feuerleiter wieder nach unten und betrat erneut die Pension, wo Mrs Hogg bereits auf ihn wartete.
»Er ist weg«, sprudelte sie aufgeregt hervor. »Der Verbrecher aus Zimmer zehn. Vor einer Minute ist er rausgelaufen. Er hatte seine Tasche dabei. Ich habe mich schlafend gestellt, damit er mich nicht umbringt.«
»An Ihnen ist der nicht interessiert«, sagte Marler und ging wieder nach draußen. Er wusste, dass es sinnlos war, Soho nach einem Profi wie Charmian zu durchkämmen, wenn dieser erst einmal aufgeschreckt war. Für dieses Mal war ihm der Franzose entwischt, wenn auch nur knapp. Nun war der Killer wieder auf der Jagd und würde wohl noch ein weiteres Mal versuchen, Tweed das Leben zu nehmen. Marler hoffte nur, dass er rechtzeitig zur Stelle sein würde, um das zu verhindern.
22
Als Paula und Tweed vom Ivy Cottage zurückkehrten, fanden sie in der Park Crescent trotz der späten Stunde das vollständige Team versammelt vor. Marler brannte förmlich darauf, ihnen von seiner leider am Ende erfolglosen Jagd auf Charmian zu erzählen.
»Ich bin mir sicher, dass er es wieder versuchen wird«, schloss er seinen Bericht.
»Dann müssen wir eben in nächster Zeit dafür sorgen, dass immer einer oder mehrere von uns in Tweeds Nähe sind«, schlug Newman vor.
»Das kommt überhaupt nicht infrage«, widersprach Tweed heftig. »Sie wissen genau, dass ich grundsätzlich allein oder mit Paula ermittle.«
»Dann sollten Sie wenigstens einen anderen Wagen nehmen«, sagte Butler. »Ihren kennt der Killer nun schon.«
»Nein, das werde ich nicht tun«, erwiderte Tweed gereizt. »Ich lasse mir doch von einem dahergelaufenen Auftragskiller nicht vorschreiben, was ich zu tun und zu lassen habe.«
»Wenn das so ist, dann lassen Sie mich wenigstens mitfahren«, sagte Butler, der sich nicht so leicht geschlagen gab. »Da ich nun einmal der Kleinste von uns allen bin, könnte ich mich auf der Rückbank zusammenkauern, dann sieht mich der Killer nicht, und wir haben das Überraschungsmoment auf unserer Seite.«
»Harry hat Recht«, sagte Paula zu Tweed. »Denken Sie doch nur daran, dass er uns mit der Entschärfung der Bombe schon einmal das Leben gerettet hat.«
»Sie sollten auf Harry hören«, knurrte Marler.
»Und seien Sie nicht so stur«, fügte Nield hinzu.
»Von mir aus.« Tweed hob beide Hände in einer Geste gespielter Verzweiflung. »Wenn Sie das glücklich macht, dann soll er meinetwegen mitfahren.«
»Und damit, dass Sie zu Fuß nach Hause gehen, hat es jetzt auch ein Ende«, sagte Paula. »Das können Sie von mir aus wieder tun, wenn Charmian in der Leichenhalle liegt.«
»Wie Sie meinen«, sagte Tweed. »Aber jetzt Schluss mit diesem Thema. Ich muss unbedingt Lucinda anrufen. Sie soll nach Abbey Grange fahren und nach Michael sehen.«
»Wieso denn das?«, fragte Paula.
Ohne ihr eine Antwort
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