Skin Game 02 - Verhängnisvoller Verrat
einem wehmütigen Tonfall gesagt hatte.
Kelly, die gerade einen Schokoladenkuchen auspackte, hielt inne. »Und was ist mit dir?«
»Mein Vater ist tot. Meine Mutter sehe ich nur selten.« Soll heißen: gar nicht.
»Und keine Geschwister … Mann, dann hoffe ich, dass du wenigstens ein paar gute Freunde hast.«
»Hab ich.«
»Du weißt ja: Freunde sind die Familie, die man sich selbst aussucht.«
Mia schmunzelte. »Das solltest du auf eine Grußkarte drucken lassen.«
»Mach ich vielleicht auch, Miss Neunmalklug.« Kelly schüttelte mit gespielter Empörung den Kopf und deutete auf den Teller. »Wenn ich mir vorstelle, dass ich dir was von meinem Kuchen abgeben wollte …«
»Wie? Und jetzt nicht mehr? Du bist aber ganz schön hart.«
Kelly biss ein großes Stück ab und redete mit vollem Mund weiter. »Du sagst es, Schwester. Meine Brüder haben schnell gelernt, dass sie mich besser nicht zum Feind haben wollen.«
»Kann ich mir gut vorstellen.«
»Es macht Spaß mit dir«, stellte Kelly mit überraschtem Tonfall fest. »Vielleicht können wir demnächst ja mal wieder einen Abend zusammen abhängen?«
»Klar. Lass uns Filme gucken. Mein Popcorn ist Weltklasse.« Sie war niemand, der leicht Kontakte knüpfte. Es kam ihr immer so vor, als würde sie das Verhalten der anderen nachahmen, sodass sie sich unwohl fühlte. Dabei konnte sie eine gute Freundin gerade mehr denn je gebrauchen, zumal Kyra sich zurzeit weit weg befand.
Sie beendeten den Abend mit ersten Plänen für ihre nächste Verabredung. Ohne noch einen Gedanken an Søren zu verschwenden, fuhr Mia heim zu ihrem Kater. Auf ihre Träume hatte sie allerdings keinen Einfluss.
Am nächsten Tag kam Søren kurz vor Feierabend in die IT und benahm sich, als wären sie nur flüchtige Bekannte. »Wenn Sie einen Moment Zeit hätten, ich würde Sie gern in meinem Büro sprechen.«
Ebenso distanziert, wie er sich ihr gegenüber verhielt, begleitete sie ihn durch die Flure und dachte daran, wie gefühllos er in der Leichenhalle gewesen war. Ihre innere Stimme schrie geradezu, sie solle sich von ihm zurückziehen, bevor es zu spät sei.
»Worum geht es denn?«, hörte sie sich stattdessen selbst fragen.
Doch er antwortete nicht, sondern bedeutete ihr weiterzulaufen. Erst als sie in seinem Büro angekommen waren und er die Tür hinter sich geschlossen hatte, wandte er sich ihr zu. »Ich möchte heute Abend den Versuch starten, ins Labor zu kommen. Ich habe alles vorbereitet.«
Ihr Puls beschleunigte sich. »Du willst also, dass ich die Schlüsselkarte für dich stehle? Ich dachte, du wolltest damit warten, bis ich meine Arbeit hier erledigt habe.«
»Kann ich nicht mehr. Sie scheinen zu vermuten, dass ich nicht der bin, für den ich mich ausgebe.«
»Was ist passiert?«
»Sie schicken mich zur ärztlichen Untersuchung. Ich halte das für einen Trick, damit sie an eine DNA-Probe von mir kommen.«
Mia bekam es mit der Angst zu tun. »Solltest du dann nicht besser verschwinden?«
»Nein. Ich kann das Problem umschiffen. Was glaubst du, wieso die erste Untersuchung folgenlos geblieben ist?«
Sie nickte. »Kannst du wirklich sicher sein, dass wir nicht geschnappt werden?«
Er zögerte für ein paar Sekunden. »Einigermaßen. Ich kann die Überwachungskameras manipulieren, und wenn wir vorsichtig sind, lösen wir auch keinen Alarm aus. Wir werden hier ein bisschen herumtrödeln und dann nach Feierabend loslegen.«
Wollte sie das wirklich für ihn tun? Während sie innerlich noch mit sich rang, setzte er sich an den Computer und fing an zu tippen. Wahrscheinlich versuchte er, das Sicherheitssystem zu knacken. Als Mia um den Schreibtisch herumging und ihm über die Schulter schaute, bestätigte sich ihre Vermutung. Ungeniert leitete er die Bilder der Überwachungskameras von seinem Rechner aus um.
»Hast du auch keine Spuren hinterlassen?«
»Sehe ich aus wie ein Amateur?«
Nein, er sah einfach zum Anbeißen aus, doch natürlich hätte sie das niemals laut gesagt. Mia beobachtete, welche Tastenkombinationen er benutzte, und befand, dass er fast genauso gut war wie sie. Er stellte einen ebenbürtigen Partner dar. Nach außen hin mochte ihr Leben zwar äußerst solide wirken, aber insgeheim sehnte sie sich nach Nervenkitzel.
»Also gut«, sagte sie schließlich. »Ich bin dabei.«
Er blickte nicht zu ihr auf. »Klar. Du hast es ja auch versprochen.«
»Aber nicht unter diesen Umständen. Das erfordert eine Neueinschätzung.«
»Trotzdem bist du keine
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