Skin Game: Gefährliche Berührung (German Edition)
Vater es nicht gerade befürwortete. Doch mit der Zeit verlegte sie sich darauf, zur Post zu gehen, wenn er schlief. Sie schickte Karten und Briefe an Mia, die immer zurückschrieb, sobald sie Kyras neue Adresse kannte. Es war schön, ein kleines Geheimnis zu haben, das einen so großen Unterschied ausmachte.
Ihr Vater und sie blieben selten länger als einen Monat am selben Ort, quartierten sich für gewöhnlich in Motelzimmern ein, die man wochenweise mieten konnte. Dennoch blieb Mia ihr bewundernswerterweise treu. Als Kyra dann alt genug war, um einen Teil der Beute anvertraut zu bekommen, steckte sie einen Großteil davon in Münztelefone, um ein paar Minuten mit Mia zu quatschen. Sie hörte immer gern Geschichten aus Mias so normalem Leben, und umgekehrt fand Mia es spannend, von Kyras Abenteuern erzählt zu bekommen. Auch heute noch.
»Ich streite nicht mit dir, Kyra.« Rey lächelte sie an, sein Blick voller Wärme und … Zärtlichkeit? »Du siehst mich doch auch nicht nach der Stechuhr arbeiten, oder? Bei mir rennst du offene Türen ein.«
Das machte sie verlegen. »Ich hab glatt vergessen, dass du mehr wie ich bist.«
»Da sagst du was.«
Sie zog die Knie an und schaute zu den Bergen, die sich violett vor dem Nachthimmel abzeichneten. »Du bist mir noch eine Geschichte schuldig. Du weißt jetzt sehr viel über mich, ich aber kaum etwas über dich.«
»Was für eine Geschichte?«
Kyra warf ihm lächelnd einen Blick zu. »Eine über dich. Eine, die kein anderer kennt.«
Er wirkte nachdenklich. Seine Wangenknochen und das Kinn verliehen ihm ein markantes Profil, die Augen lagen im Schatten. Sie hätte ihn tagelang anstarren können. Und das beunruhigte sie zutiefst.
»Sollen wir nicht doch lieber Sex haben?«, fragte er schließlich.
»Nein.« Sie beugte sich herüber und tippte ihm mit einem Finger auf die Brust. »Das haben wir abgehakt. Jetzt reden wir stattdessen.«
»Oh Mann.«
»Selbst schuld«, sagte sie mitleidlos. »Wenn du dran gedacht hättest, wie schön es hier oben unter dem Sternhimmel sein würde, hättest du Kondome eingepackt.«
Dann fiel es ihr auf. Er hatte sie auf den Schoß genommen, sie geküsst und sie hatte ihn gerade noch einmal angetippt, aber nichts war zu spüren gewesen. Keine Stoßwelle, die bedeutete, dass sie etwas von ihm gestohlen hatte. Während er offenbar überlegte, was er ihr erzählen wollte, überprüfte sie die Beobachtung, indem sie mit den Fingerspitzen über seinen Bizeps strich.
Wieder nichts.
Gleichzeitig ungläubig und aufgeregt dachte sie darüber nach. Es gab einen Grund dafür, weshalb sie nie zweimal mit demselben Mann zusammen gewesen war. Sie verband Körperkontakt nicht mit Trost und Nähe. Es ging dabei entweder ums Geschäft oder um Sex – und nur Letzteres genoss sie nach einem langen Arbeitstag. Wenn sie sich mit fremder Energie überschwemmt hatte, bekam sie unweigerlich stechende Kopfschmerzen. Auch deshalb mied sie Großstädte.
Vegas war für sie das Schlimmste gewesen, sie hatte die Zeit dort nur überstanden, weil sie Serrano davon überzeugen konnte, dass sie überaus scheu sei und sich vor Lärm und großen Menschenmengen fürchte. Er war mit ihr in ruhi ge, teur e Bistros gegangen, wo sie niemand gestört hatte. Sie hielt es für eine unglaubliche Ironie, dass ein Scheißkerl wie Serrano sanfte, zierliche Frauen bevorzugte, die seinen Schutz brauchten.
»Kyra.« Reys Stimme holte sie in die Gegenwart zurück. Sie klang belegt, mühsam beherrscht. »Wenn du nicht aufhörst, mich zu streicheln, haben wir gleich ein Problem.«
Sie zog die Hand weg, als hätte sie sich verbrannt. »’Tschuldigung.«
Er lachte verlegen. »Ich hab’s bestimmt verdient. Aber Sartre hatte Unrecht: Die Hölle, das sind nicht die anderen. Die Hölle, das sind du und ich unter sternklarem Himmel und ohne Kondom.«
»Du bist schuld«, sagte sie. »Und jetzt spann mich nicht weiter auf die Folter.«
»Darf ich wieder deine Hand halten?«
Sie schaute auf die Hand, die er wollte. Sie war nützlich, aber nichts Besonderes, blass bei Dunkelheit und leicht gebräunt bei Tag. Sie krümmte die Finger, dann hielt sie sie ihm hin und kam sich dabei seltsam erwachsen vor.
»Sicher.« Sie schüttelte den Kopf. »Du bist der komischste Landstreicher, der mir je begegnet ist.«
»Das waren wohl etliche, hm?« Er verschränkte die Finger mit ihren.
»Ein paar.« Hauptsächlich Bekannte ihres Vaters.
Es kam ihr so vor, als würden sie es rückwärts angehen.
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