Skin Game: Gefährliche Berührung (German Edition)
als er selbst ausgab. Ihm war nicht klar gewesen, wie gefährlich das werden konnte, wie nah Offenheit und Wahrheit beieinanderlagen.
Das Schweigen zwischen ihnen hielt an, bis er den Wagen parkte. Ringsherum lagen meilenweit nur offenes Gelände und Berge und darüber eine schwarze Kuppel mit Sternen, die glitzerten wie Eiskristalle. In keiner Stadt der Welt konnte man so einen Himmel sehen.
»Es ist so friedlich«, sagte sie.
Wenn er früher ein Auto besessen hätte, wäre er mit einem Mädchen hierhergekommen, hätte sich mit ihm auf die Motorhaube gelegt und ihm die Sternbilder gezeigt. Irgendwann einmal war es sein Traum gewesen, Astronom zu werden. Nach dieser Eröffnung hätte er versucht, sein Date auf den Rücksitz zu bekommen. Das hatte er sich mehr als einmal ausgemalt, es sich bei den Sternen gewünscht, deretwegen er zu dem Aussichtspunkt hinaufgestiegen war. Doch in diesem Abschnitt seiner Vergangenheit hatte es weder Autos noch Mädchen gegeben. Das war erst anders geworden, als er das Teenageralter hinter sich gelassen hatte.
»Meinst du, Myrna würde unser Gewicht aushalten?« Er deutete mit einer Kopfbewegung auf die Motorhaube.
Kyra lächelte. »Soll das ein Witz sein? Der Wagen ist für die Liebe gebaut worden. Klar hält sie uns aus.«
Zu seiner Überraschung griff sie nach den Schlüsseln in seiner Tasche und ging dann zum Kofferraum. Als sie zurückkam, hielt sie eine alte Decke in der Hand, so eine, wie sie die Leute für den Notfall dabeihatten, zusammen mit einer Flasche Wasser, Katzenstreu für rutschigen Untergrund und Müsliriegeln. Jemand, vermutlich der Vater, den sie angeblich getötet hatte, war so fürsorglich gewesen, ihr beizubringen, vorbereitet zu sein.
Reyes konnte nicht mehr glauben, dass sie die Tat begangen hatte, obwohl das sein Leben beträchtlich verkomplizierte. Wenn er vor diesem Auftrag zurückschreckte, verlöre er seinen tadellosen Ruf. Monroe machte die Dinge auch nicht leichter. Die letzte Spur hatte Kyra Marie Beckwith bei den Behörden durch eine kostenlose Schutzimpfung in einem Krankenhaus hinterlassen. Da konnte sie nicht älter als acht gewesen sein.
Sonderbarerweise gehörte diese Klinik zu demselben Konzern, der auch in seiner Heimatstadt in Wyoming die kostenlose medizinische Versorgung besorgte. Er erinnerte sich daran, weil er dort einmal mit einer der Frauen seines Vaters stundenlang zwischen weinenden Kindern gesessen hatte, bis er selbst an die Reihe gekommen war. Er hatte früh gelernt, dass Heulen nichts nützte.
Kyra verfügte weder über ein Bankkonto noch über Kreditkarten, sodass in dieser Richtung nichts zu finden gewesen war. Was er über sie wusste, hatte er von Serrano, der sie tot sehen wollte. Doch Kyra kam ihm nicht wie jemand vor, der auf ein Familienmitglied losgehen würde. Die paar Dinge, die sie über ihren Vater erzählt hatte, zeugten eher von Zuneigung, und Reyes besaß ein gutes Gespür dafür, ob jemand log.
Sollte er nur wegen eines unbestimmten Gefühls alles aufs Spiel setzen? Er hatte darauf keine Antwort parat. Fürs Erste konnte er sich bloß abschotten und bei ihr bleiben.
Sie breitete die Decke über der Motorhaube aus, stieg behutsam hinauf und lehnte sich mit dem Rücken gegen die Windschutzscheibe. Die Knie zog sie an die Brust, als wäre ihr kalt, aber er deutete ihre Körpersprache anders. Aus irgendeinem Grund war sie verunsichert und fühlte sich schutzlos.
Er wartete nicht auf eine Einladung, sondern kletterte neben sie, ließ jedoch einen Abstand zwischen ihnen, damit sie sich nicht bedrängt fühlte. Damit lag er allerdings falsch. Anstatt wegzurücken, rutschte sie näher, als wollte sie in den Arm genommen werden. Aber vielleicht projizierte er auf sie, was er selbst gern wollte. Durch die Bewegung wehte ihr Duft zu ihm herüber. Kokos. Ob es eine Bodylotion war oder ihr Shampoo, wusste er nicht, aber er musste bei dem Geruch jedes Mal sofort an glatte, nackte Haut denken.
»Als Kind bin ich hier viel gewandert«, erzählte er leise.
Zu seinem eigenen Schutz sollte er nicht noch mehr von sich erzählen – es war scheißgefährlich. Doch sein untrüglicher Instinkt sagte ihm, dass er nur so ihr Vertrauen gewinnen würde. Auf die Weise ließe sich der Auftrag zweifellos erledigen; Reyes fragte sich allerdings, zu welchem Preis.
»Du musst ziemlich abgeschieden gewohnt haben.« Sie blickte umher, wonach sie suchte, wusste er nicht und aus Angst vor dem, was sie möglicherweise sah, wollte er auch
Weitere Kostenlose Bücher