Skinwalker 01. Feindesland
den anderen, sie können aus ihrem Versteck kommen. Und öffne die Vordertür, aber lass nur Sanis und Cops rein « , fügte Indigo hinzu. Sie sah mich an. Und grinste überraschend. »Sie sollten sich besser was überziehen, sonst denken die Bullen noch, Sie sind eine von uns .«
Ich blickte an mir herunter, nickte und hob den Pflock in meiner Hand zum Abschiedsgruß. Auf dem Weg nach draußen achtete ich darauf, weder in Glasscherben noch in Blutlachen zu treten. Der Morgen malte rosa und lila und goldene Streifen an den Himmel, als ich mit einem Satz über die Mauer sprang.
Ich duschte blitzartig, um den Geruch von Katies Blut loszuwerden, und stattete mich eilig für die Vampirjagd aus: Jeans, Lederjacke, Stiefel, silberne Vampkiller, Kreuze, das Fläschchen mit Weihwasser. In die Satteltaschen kamen Nietenhandschuhe, ein Kragen aus kleinen Sterlingsilberringen, gearbeitet wie ein Kettenhemd, reichlich Munition, meine Bibel und weitere Pflöcke. Keine zehn Minuten, nachdem ich das Haus betreten hatte, streifte ich den Helm über, die Benelli hing auf meinem Rücken, trat den Kickstarter und fuhr um den Block, an den blinkenden Blaulichtern und heulenden Sirenen vor Katies Tür vorbei. Die Augen von der Sonnenbrille geschützt, ließ ich das Visier hochgeklappt und fand schnell die Witterung des Rogue.
Wie schaffte er es nur, seinen Geruch dermaßen zu verändern? Wenn ich seine Witterung jetzt verlor, würde ich ihn vielleicht nie wiederfinden. Was mich auf den Gedanken brachte, dass ich womöglich schon neben ihm gestanden hatte, ohne es zu merken. Ich fragte mich sowohl, warum er ihn änderte, als auch wie . Vielleicht war es ja etwas, das er nicht bewusst steuern konnte. Vielleicht hatte Beast ja nicht ganz unrecht, wenn sie ihn Leberfresser nannte. Möglicherweise war er nicht bloß ein Rogue. Vielleicht war er mehr als das.
Seine Opfer waren nicht nur Menschen. Die Rogues, mit denen ich bisher zu tun gehabt hatte, hatten ausschließlich von Menschen getrunken. Doch in diesem Fall wurde schon mindestens ein Vamp vermisst, die Frau, deren Verschwinden Katie beweint hatte. Ming. Und jetzt hatte er Katie überfallen. Eventuell noch andere. Oder … vielleicht war er gar nicht tollwütig, vielleicht fraß er Lebern aus medizinischen Gründen. Vielleicht brauchte er etwas, das sich in menschlichem Blut nicht fand. Brauchte enzymhaltige Organe wie die Leber, um stabil zu bleiben. Konnte es sein, dass Vamporgane sich dafür besser eigneten? Machte ihn das zu dem Leberfresser aus den alten Legenden? Nein, Blödsinn. Ein Teil seiner wechselnden Witterung roch eindeutig nach Vamp. Ergo war er ein Vamp.
Unvermittelt sah ich wieder vor mir, wie er die Zähne in Katie grub. An ihr fraß. Wie ein wildes Tier an seiner Beute, erst die Organe. Reißzähne im Ober- und Unterkiefer. Beast verhielt sich still, doch ich wusste, sie war wach. Und ich wusste, dass sie mir zustimmte. So fraß Beast: Erst die Leber, das Herz, die Nieren, die Lunge. Zuerst die Teile, die am protein-, fett- und mineralstoffreichsten waren. Dann war er also doch kein Vamp?
Schließlich musste ich es mir eingestehen: Ich hatte keine Ahnung, was ich da jagte. Ich kostete die Witterung der erwachenden Stadt, die sich bereit machte für die Geschäfte des Tages, Schule, Arbeit. Von der Sonne gejagt, flog der Rogue geradezu durch die Straßen. Wenn ich seine Spur nicht verlor, würde ich heute seinen Schlafplatz finden, vielleicht sogar sein Nest. Und den verdammten Mistkerl töten. Meine Prämie kassieren. Und machen, dass ich hier wegkam.
16
Sind Kreuze Waffen?
Der Geruch des Rogue änderte sich weiter und roch jetzt zunehmend heißer. Ich dachte daran, wie Leo nach der Berührung der ersten Sonnenstrahlen nicht nur nach Pfeffer, Mandeln und Papyrus gerochen hatte wie gewöhnlich, sondern auch nach angesengtem Fleisch. Einerseits verstärkte der Gestank von erhitztem Fleisch die Fährte des Rogue, andererseits überlagerten ihn die Frühstücksdüfte von gebratenem Speck und Würstchen in der Morgenluft. Mit meiner menschlichen Nase konnte ich Gerüche nicht so gut auseinanderhalten. Doch als ich beim Fahren leicht den Mund öffnete, fand ich seine Spur wieder, die nun fast wie Süßholz roch, nein, eine noch feinere Note. Vielleicht Haselnuss?
Und ich bemerkte einen Hauch von Mariengras. Sofort fuhr ich langsamer und atmete durch Mund und Nase, auf der Suche nach diesem besonderen Duft in dem Gemisch von Stadt- und Flussgerüchen. Dem Duft
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