Skinwalker 01. Feindesland
eswarjaniemandhier,dermichbeobachtenkonnte.DievielschichtigeWitterungenthielteinenschwachenHauchvonTomate,Salbei,Rosmarinundnochetwas,dasabersoschwachwar,dassichesnichtbenennenkonnte.IchschlugeinenBogenzurückdurchsUnterholzundschnüffelte.EntferntemichvondemschmalenPfad,krochzwischendieBäume.Eswarlangeher,dasseshierzuletztgebrannthatte;dasUnterholzwarsodicht,dassichnichtweitkam.
Beast fand, dass der Pfad oft benutzt wurde. Ich fand, es war nur ein schmaler Streifen weicher Erde. Doch es war auch der einzige Weg in die Wälder. Bäume und mannshohe Büsche standen nun dicht an dicht. Das Vogelgezwitscher verstummte. Der Duft von Kiefernharz lag schwer im träge fächelnden Wind. Moskitos stürzten sich summend auf mich. Lief ich womöglich in eine Falle? Beast hatte keine gefunden, aber ich war nicht Beast.
Die Bäume öffneten sich auf eine Lichtung, die ich von Beasts Pirsch her kannte. Ich hockte mich hin und wartete. Nichts rührte sich. Wie Beast es auch getan hatte, ging ich einmal um die Lichtung herum, fand aber nichts, keine anderen Pfade, keine Witterung. Vorsichtig und nach Fallen Ausschau haltend wagte ich mich vor auf die offene Lichtung. Da. Der Boden stank nach Rogue und altem Blut. Die sich weiterhin verändernde Witterung war hier langgekommen. Es war, als hätten mehrere unterschiedliche Personen auf der Lichtung gestanden. Und doch war ich ziemlich sicher, dass es sich um ein und dasselbe Wesen handelte. Ein Wesen, das eine seltsame Metamorphose vollzog, die an Dr. Jekyll und Mr. Hyde erinnerte und es ihm irgendwie ermöglichte, auf geradezu revolutionäre Art seinen Geruch zu wechseln. Kein Skinwalker. Er roch nicht wie ich. Und auch kein Werwesen, falls es tatsächlich welche geben sollte. Ein Elf? Nein. Ein Vamp – ein sehr kranker, sehr tollwütiger Vamp.
Nach ein paar Minuten war ich überzeugt, dass auf der Lichtung keine Fallen lauerten. Der Leberfresser war hier entlanggekommen. Aber er war nicht wieder weggegangen. Ich stieß mit der Fußspitze in den Boden. Dann stampfte ich fest auf die Erde, immer im Kreis. Ich begann am Rand der Lichtung und zog eine enger werdende Spirale, bis ich in der Mitte angelangt war. Dort klang der Boden plötzlich anders.
Hohl. Etwas war dort unter der Erde.
Höhle , dachte Beast. Sie war noch wach, aber schon etwas schläfrig. Sein Bau. Sein Nest .
»Genau « , murmelte ich. Ich ließ mich auf alle viere nieder und wollte die Kiefernnadeln fortwischen, aber sie klebten fest, und zwar an einer Falltür im Boden. Camouflage . Ich richtete mich halb auf, sodass ich auf einem Knie lehnte, den anderen Fuß aufgestellt. Das Holz der Falltür war braun, wettergegerbt und abgewetzt. Eine ganz normale Tür mit Paneelen und einem Türknopf aus Messing. Das Metall war löchrig und nachgedunkelt von Wind und Wetter. Eine Tür, wie sie ein Mittelschicht-Hausbesitzer als Eingangstür haben mochte. Der Schweiß lief mir über den Rücken und sammelte sich unter meinem Kettenkragen. Mein Atem ging gleichmäßig, aber zu schnell.
Ich schwang die Benelli nach vorn und packte einen Pflock. Griff nach dem Türknauf, ohne zu wissen, was ich tun würde, wenn die Tür verschlossen war. Aber das war sie nicht. Statt jedoch an Scharnieren aufzuklappen, glitt sie zurück und gab eine Öffnung von knapp einem Meter Durchmesser frei, gut anderthalb Meter tief. Am Boden dieses Lochs führte ein runder Tunnel nordwärts, wie der Gang eines Kaninchenbaus, nur breiter, und hoch genug, dass ein Mensch darin kriechen konnte. »Mist « , flüsterte ich. Da würde ich wohl hineinmüssen.
Wurzeln hingen aus den feuchten Wänden des Tunnels. Der Geruch von Schimmel und frisch geöffnetem Grab wehte zu mir herauf. Direkt unter der Öffnung war der Boden glatt und hartgetreten. Ein Stück weiter, wo der Rogue sich auf Hände und Knie niedergelassen haben musste, erkannte ich seltsam geformte Abdrücke. Stiefelspitzen, die sich in den Boden gedrückt hatten. Ich sah genauer hin, konnte aber keine anderen Abdrücke entdecken. Nur ein Paar Stiefel. Falls der Rogue einen menschlichen Diener besaß, war er nicht hier.
Gefressen , schlug Beast vor.
Ich atmete ein, sortierte die Witterung: Schimmel, Kiefernwurzeln voller Harz, Wasser, ganz in der Nähe, nasse Erde und etwas Totes. Das schon lange tot war. Direkt vor mir. Ich sprang in das Loch und landete mit gebeugten Knien, die Benelli im Anschlag. Sofort ging ich in die Hocke und wartete, bis sich meine Augen an die Dunkelheit gewöhnten.
Weitere Kostenlose Bücher