Skinwalker 01. Feindesland
allesmenschlich.BlutvomLeberfresser,stinkendundfaul,alterTodundVerfall.UndBlutvonnochetwasanderem.Vondem,wasderRoguevorübergehendwurde,eheerdieGestaltdesmännlichenOpfersannahm.EineandereWitterung,fastvertraut,verführerisch.GänzlichfreivonVerfall.
Es sah aus, als hätte der Leberfresser den Körper mit roher Gewalt auseinandergerissen. Hungrige Raubtiere in der Wildnis fraßen anders. In der Natur fraß ein Raubtier erst das weiche Gewebe: innere Organe, Fett, die große Muskelmasse von Hinterteil und Oberschenkeln. Als Nächstes fraß es das Bindegewebe ab. Und schließlich riss es die Sehnen und Knorpel herunter und trennte die Glieder eins nach dem anderen.
Rippen losbrechen ist schwer. Normalerweise fresse ich erst vom Bauch aufwärts und beiße dann Rippen ab, um sie später abzunagen oder den Jungen zu geben, damit sie Fleisch fressen üben.
Wir sahen uns um. Der Kopf lehnte an der Wand im Flur. Auf dem Schädel war noch ein Büschel kurzen roten Haares. Das Gesicht war abgefressen, Zunge und Augen fehlten. Durch die Öffnungen sah man die leere Schädelhöhle, doch der Kiefer war noch dran. Von Beast wusste ich, dass Großkatzen sich erst später über das Hirn hermachten. Wenn das Weichteilgewebe verspeist und der Kiefer ab war.
Unter dem Küchentisch entdeckte ich ein Bein und einen Arm, beide sorgfältig abgenagt. Das linke Bein lag im Flur. Nein, zwei Beine lagen im Flur, zusammen mit weiteren Teilen von Opfer Nummer zwei. Ich erinnerte mich wieder an die dumpfen Schläge, die ich in Raubvogelgestalt aus dem Haus gehört hatte. Hatte er da den Körper in Stücke gerissen, umhergeschleudert und gefressen?
Ich merkte, dass Jodi mich beobachtete. Ich blinzelte, um Beast wegzudrücken, und schloss den Mund. Hoffentlich hatte ich nicht mit lauten Schlürfgeräuschen Luft eingesogen, so wie Beast es tat. Ich setzte eine angeekelte Miene auf. »Das ist die … « Ich brach ab, als wäre ich geschockt. Beast fand das lustig. »Es sieht aus, als wäre hier eine Horde wilder Tiere eingefallen .«
»Ja « , sagte Jodi kurz angebunden. »Das haben wir auch gedacht .«
»Haben Sie vor, Hunde einzusetzen ?« , fragte ich. Ich war neugierig, wie ausgebildete Spürhunde auf die Gerüche reagierten.
»Morgen. Ich hätte sie gern schon heute hier gehabt, aber sie haben einen Einsatz bei einem Banküberfall mit Schusswechsel .«
Ich nickte. »Was hat das Psy-Meter angezeigt ?«
Jodi klipste das Gerät von ihrem Gürtel ab, schaltete es an und hielt es in den Raum. Sofort fuhr der Zeiger mit schnellen Klicklauten wie ein Geigerzähler heftig hoch und runter und kam nicht zur Ruhe. Jodi hielt es in meine Richtung, und obwohl das Klicken langsamer wurde, war das Ergebnis immer noch höher als bei jedem Menschen. Ich sah auf die Anzeige und tat amüsiert. Ich hatte gewusst, dass es nur eine Frage der Zeit war, bis sie meine Messung mit den Psy-Werten hier im Raum verglich. »Wollen Sie sich vergewissern, dass ich nicht der Rogue bin ?«
»So ähnlich « , sagte sie und stellte das Messgerät aus. »Das ganze Haus stinkt nach alter Magie .«
Ja, da hatte sie recht. Doch ich hatte genug gesehen. Rückwärts trat ich durch die Tür aus dem Haus auf die Veranda, legte die Schutzkleidung ab und warf sie in die Tonne für Sonderabfall. Die würde mitsamt ihrem Inhalt ins kriminaltechnische Labor wandern und dort auf Spuren untersucht werden, vor allem die Papierschuhe, an denen Haare und Fasern haften konnten. Danach wurde alles vernichtet. Ich war zwar nicht in Blut getreten, aber ich konnte es an mir riechen, in meinem Haar, in meiner Kleidung und überall darunter, den Fäulnisgeruch des Leberfressers. Der Gestank wühlte in mir und haftete mir an wie Ölschlick.
Mittlerweile war die Dunkelheit hereingebrochen. Die Außenleuchten der Häuser zogen Schwärme von Insekten an; im ganzen Viertel tauchten helle Fenster die Nacht in Licht. Die Nachbarn waren in ihren Häusern, saßen hinter verschlossenen Türen und verriegelten Fenstern. Was ihnen nicht viel helfen würde, wenn ein Leberfresser hineinwollte.
Ich gab Gas und ließ mein Haar im Wind wehen, um den Gestank aus der Nase und aus den Klamotten zu bekommen. Auf halbem Wege nach Haus kam ich auf der 90 an einem Lebensmittelgeschäft vorbei und hielt an. Ich kaufte ein paar Steaks und zwei Sixpacks Bier, ohne die Blicke der anderen Kunden zu beachten. In den dunklen Fenstern über dem Eingang hatte ich mein Spiegelbild gesehen und wusste, dass ich ziemlich
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