Skinwalker: Fluch des Blutes (German Edition)
fürchterliche Magenschmerzen vor Hunger. Ich betastete mein Gesicht, die schlaffe Haut, die hohlen Wangen. Sich zu wandeln, ohne vorher etwas gegessen zu haben, war weder mir noch Beast gegenüber fair gewesen. Und der Kalorienverlust hatte mittlerweile ein gefährliches Ausmaß erreicht. Ich nahm meine Kleider und schleppte mich ins Haus. Ich schüttete literweise Wasser in mich hinein. Meine Kehle war so trocken, dass jeder Schluck wehtat. Anschließend aß ich ein Pfund Trockenfleisch und öffnete eine Packung Cheerios, die ich mit saurer Milch löffelte. Dann tat mir der Bauch weh, weil ich so viel gegessen hatte.
Immer noch nackt, knipste ich das Licht an, holte einen Eimer, eine Sprühflasche mit Reinigungsmittel und eine Rolle Papierküchentücher und wischte Mollys Blut vom Boden auf. Der Reiniger brannte mir in der Nase und an den Händen. Ich ließ es brennen, der Schmerz war eine weitere Buße für mich.
Einsamkeit kannte ich nicht – hatte ich nie gekannt – doch jetzt war in meinem Inneren ein Loch, so leer, so tief, als wäre meine Seele eingebrochen wie ein Berg, der in sich zusammenfällt. Ein Gefühl von Getrenntsein, das vielleicht Einsamkeit war. Während ich arbeitete, tropften mir Tränen aus den Augen auf die nackten Dielen.
Als ich den Boden geputzt und die Rolle wieder weggeräumt hatte und das chemische Reinigungsmittel den Blutgeruch überlagerte, wischte ich mir das Gesicht trocken und rief zuerst Evan in Brasilien zurück, dann Mollys älteste Schwester Evangelina in Asheville.
Evan hatte bereits einen Flug in die Staaten gebucht. Ich musste einen sicheren Ort finden, wo ich ihn unterbringen konnte. Nicht hier bei mir zu Hause. Hier war es für niemanden mehr sicher. Der Meister der Stadt wollte Rache. Hexen waren eingebrochen, zusammen mit etwas, das Beast als Vamphexe beschrieben hatte. Erst glaubte ich, noch nie von einer solchen Kreatur gehört zu haben, doch dann erinnerte ich mich an das, was Bethany im Krankenhaus gesagt hatte – dass sie eine Hexe und verflucht sei, das heißt eine Vampirin. Die sich doch beide eigentlich spinnefeind waren.
Auch Evangelina kam nach New Orleans, wie sie in hartem und bitterem Ton verkündete. Sie gab mir die Schuld. Dagegen konnte ich nichts sagen. Sie hatte recht. Es war meine Schuld. Ich rief im Krankenhaus an und erfuhr, dass Molly in ein Privatzimmer verlegt worden war. Die Dienst habende Krankenschwester teilte mir mit, dass sie schlief, alle Werte seien normal. Im dunklen Herzen meiner Zwillingsseelen flatterte Erleichterung auf wie Schmetterlingsflügel, hauchdünn und durchscheinend.
Dann stellte ich mich unter die brühend heiße Dusche und wusch mir das Blut ab. Mittlerweile war ich daran gewöhnt, scharlachrotes Wasser um meine Füße strudeln zu sehen.
Ich stand nackt, feucht und frierend im Schlafzimmer und starrte meine neuen Lederklamotten an, als die noch aktiven Banne um das Haus erbebten und zischten. Elektronisches Geheul setzte ein, Mollys Alarmton bei einem Angriff von etwas Magischem.
Die Haustür vibrierte unter einem heftigen Schlag, den ich selbst durch den Boden spürte. Dann roch ich Vamp.
15
Dornenhecke
Mit einer einzigen Bewegung hatte ich das Gewehr und einen Vampkiller zur Hand, mit der Klinge wie für einen Nahkampf nach hinten ausgerichtet, und bewegte mich langsam zur Haustür vor, die Füße mit Bedacht setzend, immer ausbalanciert, wachsam. Mein Herz raste, mein Atem ging tief und schnell. Beasts Krallen bohrten sich in meinen Bauch, kampfbereit. Aber die Haustür war zu. Niemand hatte Mollys Bann durchbrochen.
Durch das ohrenbetäubende Heulen war kaum zu hören, dass die Seitentür knarrte. Dort, wo der Bann zerstört war. Ich wirbelte herum.
Dort stand Leo, die Fangzähne voll ausgefahren, die Pupillen riesig auf blutroter Lederhaut, die Fingernägel wie Klauen. Die Schultern gekrümmt, die Kleider vom Wind zerzaust, das Hemd bis zur Taille aufgeknöpft. Wie die meisten Vamps war er schlank, beinahe mager, seine Brust war leicht behaart, die Rippen waren kräftig und die Muskeln wie Seile. Kein Gramm Fett am Körper. Er starrte auf die Stelle am Boden, wo Molly beinahe gestorben wäre. Seine Nasenflügel blähten sich, als er ihr Blut roch.
Mir fiel ein, dass Bruiser gesagt hatte, er sei an Immanuels Grab gewesen. Vermutlich befand er sich tief in dolore, war erneut am Rande des Wahnsinns. Bruiser hatte mir geraten, Kreuze bereitzuhalten. Ich überlegte kurz, welche meiner vielen Sünden Leo
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