Skinwalker: Fluch des Blutes (German Edition)
»Whiskey besorge ich dann später. Entschuldige, dass ich dich geweckt habe. Wie lange hast du denn schon nicht geschlafen?«
Das war nicht der Sarkasmus, den ich erwartet hatte. Als ich die Sorge in ihrer Stimme hörte, war es fast um mich geschehen. Schon wieder. Aber ich war fest entschlossen, nicht zu weinen, nicht vor Evangelina Everhart. Ich legte Kekse auf einen Teller, die Kekse, die Molly für ihre Kinder gebacken hatte, weiße Schokolade mit Macadamianüssen. Sie waren immer noch weich. Wieder stiegen mir Tränen in die Augen. Es war noch gar nicht so lange her, seit die Kinder entführt wurden, und doch kam es mir wie eine Ewigkeit vor. Vorsichtig sagte ich: »Zwei Tage. Ungefähr.« Evangelina nahm mir den Teller aus der Hand und schob die Kekse hin und her, nicht, als ob ihr mein Arrangement nicht gefiele, sondern als müsse sie ihre Hände mit irgendetwas beschäftigen. Sie kniff die Lippen zusammen, wie um ihre Gefühle zurückzuhalten, und hielt den Blick auf die Kekse gerichtet. »Kannst du mir sagen, was hier vor sich geht?«
Zum zweiten Mal am heutigen Tag gab ich einen Lagebericht – über Molly, die Entführung der Kinder und das Vamp/Hexen-Problem. Als ich fertig war, sagte Evangelina: »Ich habe gehört, dass ein Vampirkrieg droht. Stimmt das, oder ist das nur ein Gerücht?«
»Es stimmt. Glaube ich. Die Vampclans formieren sich neu. Zwar ist Rafael von Mearkanis derjenige, der Leo als Meister der Stadt herausfordern könnte, ich vermute aber, dass es die Rousseaus sind, die im Hintergrund die Fäden ziehen und den Krieg schüren. Ich würde sagen, dass die politische Unzufriedenheit nur ein Vorwand ist, damit sie diesen Rogue-Zauber durchführen können, ohne entdeckt und hingerichtet zu werden, so wie es die Vampira Carta vorsieht.« Ich gab Teeblätter in das Sieb und stellte die Kanne ins Spülbecken. Und mit den vertrauten Bewegungen löste sich endlich meine Anspannung ein wenig.
»Das halte ich nicht für unwahrscheinlich.«
»Aber ich verstehe nicht«, sagte ich, »warum Hexen ihnen helfen.«
»Das ist auch ein Grund, warum ich hier bin: um das herauszufinden. Dein Leo bat um ein Treffen mit dem Coven, es findet heute Abend statt. Möchtest du daran teilnehmen?«
Überrascht sah ich sie an. Ich hatte nicht erwartet, dass sie mich in ihre Hexenangelegenheiten einbeziehen würde. »Ähm, er ist nicht mein Leo. Und ich treffe mich um fünf Uhr mit den Cops. Ich glaube, sie haben beschlossen, eine Sonderermittlungseinheit zu gründen.«
»Das bringt jetzt auch nichts mehr.« Ihre Stimme klang müde. Geistesabwesend biss sie in einen Keks, ohne ihn wirklich zu schmecken.
Schweigend saßen wir da und hingen unseren Gedanken nach, bis die Zeitschaltuhr piepte. Ich goss Tee ein, und wir tranken.
Dann machte ich einen Anruf, denn eine Sache wollte mir nicht aus dem Kopf gehen – etwas, das nach einem Plan aussah.
19
Gute Taten bleiben nicht ungestraft
Raum 666 präsentierte sich so karg und langweilig wie immer, doch dieses Mal roch es dort himmlisch. Schon am Fuß der Treppe stieg mir der Duft von Frittierfett, Zwiebeln und Meeresfrüchten in die Nase. Jodi hatte Essen mitgebracht, Gott sei Dank. Trotz meiner Angst um die Kinder knurrte mein Magen, als ich die Tür öffnete.
Die Cops saßen um einen kleinen Tisch, Jodi und Rick und noch ein anderer Typ, den ich nicht kannte; alle hatten beschlagene Coladosen vor sich stehen. Als ich mich auf den Stuhl neben Rick setzte, sagte er: »Du hättest mir ruhig sagen können, dass du auch kommst.«
»Hätte ich. Aber so macht es mehr Spaß.«
Jodi sagte: »Ihr beiden, flirten könnt ihr in eurer Freizeit.« Rick schnaubte. Ich zog die Lasche der Coladose auf, damit ich nichts erwidern musste. »Man hat mir diesen Fall übertragen, weil mein Boss sauer ist, dass ich Kontakte zu Vamps habe.« Sie warf mir einen Blick zu. »Seitdem ich an einer Sitzung des Vampirrates teilgenommen habe.«
»Gute Taten bleiben nicht ungestraft«, sagte ich. Jodi und ich waren gemeinsam vor dem Rat erschienen, eine Premiere für einen NOPD -Cop, egal welchen Ranges. Ihr Boss hatte sich auf den Schlips getreten gefühlt, weil er nicht eingeladen gewesen war, und ihr seitdem kindischerweise nur Routinefälle zugeteilt.
»Ich kann euch nicht versprechen, dass es eurer Karriere guttut, vor allem, wenn noch weitere Hexenkinder verschwinden sollten, aber ich soll die Entführungen von Hexenkindern bearbeiten, die brandneuen und die alten Fälle. Die, die
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