Skinwalker: Fluch des Blutes (German Edition)
nicht. Ich legte das schimmernde Kreuz zurück in die Schatulle. In die eigens dafür vorgesehene Vertiefung in dem Samt. Als ich das Kreuz losließ, erlosch das Licht, und zurück blieb schlichtes Holz. Ich schloss den Deckel der Schatulle und stellte sie hinter mich auf den Steinsarg.
Hatte ich tatsächlich einen Teil vom Kreuz Christi in der Hand gehalten? Oder nur Holz, das mit einem Zauber belegt war? Konnte ich irgendetwas von dem, was Sabina gerade gesagt hatte, glauben? War es möglich, dass es wahr war? Doch sie glaubte es, und das, begriff ich, war das Entscheidende. Woraus immer dieses Kreuz gemacht war, es hatte große Macht über sie. Ein Zittern überlief mich. Ich schwankte, und Rick stützte mich mit einer Hand, schnell, unmenschlich schnell. Vielleicht wirkte noch Leos Blut in ihm nach, das er ihm gegeben hatte, um ihn zu heilen.
Ich atmete tief ein und aus, um mich zu sammeln, mich für diesen Moment zu wappnen. Schließlich sagte ich: »Sie haben schon einmal ein Blutritual mithilfe des Kreuzes verhindert. Wenn ich herausfinde, wo es stattfinden soll, würden Sie dann mitkommen und es beenden?«
»Nein.«
»Oh.« Ihre Antwort traf mich wie ein Schlag. Nachdem ich sie in dem Gemälde gesehen hatte, das lodernde Kreuz in Händen, hatte ich erwartet, dass sie mir helfen würde, die Damours aufzuhalten. Ich spürte, wie mein Adrenalinpegel sank. Ich wusste nicht, wohin ich mich nun wenden sollte. Sie würde mir niemals das Blutkreuz überlassen. Eher würde sie Rick und mich und noch hundert weitere töten.
Zu Rick sagte sie: »Der törichte Mensch, der eine nutzlose Waffe gegen einen Mithraner zieht, möge draußen warten.«
Ich sah Rick an. Seine Augen wirkten schwarz in der Dunkelheit, auch wenn er mich nicht ansah, sondern die Schatulle, in der sich ein Teil des Heiligen Kreuzes befand. Oder auch nicht. Er war auf eine katholische Schule gegangen. Seit über zweitausend Jahren erzählten die Katholiken von den verborgenen Relikten des wahren Kreuzes. Sein Schlucken war in der stillen Kapelle deutlich zu hören, doch er antwortete in dem für ihn typischen unbekümmerten Ton. »Wenn du in fünfzehn Minuten nicht draußen bist, komme ich und hole deine Leiche, um sie anständig zu begraben.«
Ich lachte leise durch die Nase. Hob die Hand und strich ihm die Elvistolle zurück. Meine Fingerspitzen streiften seine Stirn, eine Berührung, die seine Aufmerksamkeit erregte. Sein Blick begegnete meinem. Und plötzlich erschien ein neuer Ausdruck in seinen Augen.
»Danke«, sagte ich. »Aber es wäre besser, wenn du zuerst Hilfe holen würdest. Ich habe so eine Ahnung, dass sie nicht so leicht zu töten sein wird.«
»Glaubst du?« Er legte die Hand an seine Kehle, straffte die Schultern und verließ die Kapelle. Seine Stiefel klackten auf den Stufen, die hinunter zum Friedhof der Vamps führten.
»Ich kann Ihnen nicht helfen, dieses Böse zu besiegen«, sagte Sabina. »So bald danach kann ich das Blutkreuz nicht mehr heben. Eine zweite Selbstverbrennung in einem Jahrzehnt würde ich nicht überleben.« Ich dachte zurück an das Gemälde, auf dem Sabina mit brennenden Armen den Hügel hinuntergelaufen war. War sie dabei damals fast gestorben? Und dann wieder, als sie den Leberfresser verjagt hatte. In Lichtgeschwindigkeit war sie bei dem offenen Steinsarg und beugte sich darüber. Ganz in meiner Nähe. Mein Körper reagierte mit einem leichten Anflug von Angst und spannte sich an, doch viel zu spät. Sie fing meinen Blick auf, und ihr Wille packte mich so fest wie Stahlketten. Sie stand so nah bei mir, dass mir ihr trockener, heißer Vampgeruch in die Nase stieg, wie der Wind über der ausgedörrten, kargen Wüste, und darunter, sonderbar und schwach, der Duft von getrockneten Rosenblättern. »Aber ich werde Ihnen einen Splitter davon geben.«
Mein Kopf wurde leer wie eine schneeverwehte Nacht – kein Gedanke, kein Gefühl, nichts. Sabina gab mir … was? Einen Moment lang war ich weit weg, verloren im Schnee, frierend, verwirrt und desorientiert. Ein Moment, der länger dauerte, als gut für mich war.
Eine warnende Stimme flüsterte mir zu: Keine Beute. Nicht vom Blick des Feindes fangen lassen . Krallen drückten sich auf mein Gehirn. Schnitten hinein.
Ein Ausdruck von Überraschung huschte über Sabinas Gesicht. Sie unterbrach den Blickkontakt und wandte sich ab, dann bückte sie sich, richtete sich auf und drehte sich wieder herum. Erneut hielt ihr Blick mich im Dämmerlicht fest. »Er ist
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