Skinwalker: Fluch des Blutes (German Edition)
gefunden. Dann war es vorbei.
Sie holte Luft, die sie nicht brauchte, und seufzte. Ihre Pupillen wurden kleiner, das Rote verschwand aus ihren Augen, bis sie fast wieder menschlich aussahen, und ihre Fangzähne schnappten zurück in ihren Gaumen. Dann intonierte sie einen feierlichen Singsang, als handelte es sich um ein oft wiederholtes Zitat. »›Ioudas Issachar, Sohn von Simon, dann einer der zwölf, ging zu den Hohepriestern und sagte zu ihnen: Was wollt ihr mir geben? Ich will ihn euch verraten. Sie freuten sich, als sie das hörten, und versprachen ihm Geld. Und sie bezahlten ihm dreißig Silberstücke.‹ Kennen Sie diese Geschichte?«
»Die Geschichte von Judas Ischariot, der Jesus verriet.«
»Der Dieb«, sagte sie. »Der Mörder. Der Bringer des Bösen.«
Ich nickte.
»›Und der Dieb verriet seinen Herrn mit einem Kuss. Und der große Lehrer und Heiler, er, der ohne Sünde war, starb am Kreuz. Und Ioudas erhängte sich. Seine Leiche wurde beerdigt.‹ Und obwohl alle dachten, er sei tot, war sein Grab leer, und der Lehrer wandelte unter seinen Anhängern. Sie behaupteten, er sei von den Toten auferstanden. Aber in den christlichen Schriften steht nicht, was am vierten Tag geschah.
Als die Söhne Ioudas’ hörten, dass der Herr auferstanden war, gingen sie zu dem Ort des Schädels und auf die Suche nach dem Kreuz, an dem er gestorben war, um mit dem mit seinem Blut getränkten Holz unbekannte magische Rituale durchzuführen. Aber die Kreuze des Diebes, des Mörders und des Rabbis waren abgenommen und in Stücke gebrochen und auf einen Haufen geworfen worden, sodass das Holz der Kreuze sich vermischt hatte.‹«
Ein ahnungsvoller Schauder überlief mich, mir wurde kalt, und mein Blut floss langsamer. Meine Finger schlossen sich um das Blutkreuz. Ich sah es an. Das Holz schimmerte in einem seltsam warmen, gleichmäßigen Licht.
»›Sie nahmen alles. Im Dunkel der Nacht holten sie die Leiche ihres Vaters aus seinem Grab, legten sie auf den Haufen aus blutigen Holzstücken und wirkten ihre Hexenmacht und geheime Rituale. Manche behaupten, sie hätten das Leben ihrer kleinen Schwester auf dem Holz geopfert. Manche sagen, es sei nicht so gewesen. Aber was immer es für ein Ritual war, sie versuchten, ihren Vater mit Magie von den Toten zu erwecken. Und er erwachte, obgleich er tot war und seine Seele der Nacht und der Dunkelheit übergeben worden war. Seelenlos wandelte er zwei Nächte lang, ein wildes Tier. Und er konnte nicht getötet werden, auch wenn er verweste und das Fleisch von seinen Knochen fiel, um sich auf dem Boden zu winden. Weil sie meinten, aus ihrer Sünde könnte noch Gutes entstehen, tranken die Söhne das Blut und aßen das Fleisch ihres Vaters. Und sie wurden gewandelt.‹« Ihr Blick wurde klar, als würde sie wieder in die Gegenwart zurückkehren. Sabina sah zwischen uns hin und her. Eine blutige Träne lief ihr über die blasse Wange, doch ihr Gesicht war leer, hart und kalt wie gemeißelter Stein.
»›Sie sind auferstanden, jedoch nicht so, wie sie gehofft hatten. Sie hatten böse Magie angewandt, und ihre scheußliche Tat verdammte sie und ihre Nachkommen dazu, nur noch nachts zu leben. Söhne der Dunkelheit. Künftig dürsteten sie nach Blut und erhoben sich jede Nacht, um zu töten und zu trinken. Und nach einiger Zeit schufen sie andere ihrer Art. Doch ihre Nachkommen waren wilde Tiere, blutgierige Mörder. Die devoveo.‹« Ihr Gesicht war beinahe nachdenklich geworden. Beinahe, doch der Unterschied … dass was fehlte … war beunruhigend.
»So wie den Fluch, so erbten wir auch das Holz des Blutkreuzes. Obgleich es seinen Träger nicht selten so verbrennt, dass ihn der endgültige Tod ereilt, ist es eine mächtige Waffe gegen Blutrituale und das Böse. Es ist unsere einzige Rettung.«
Ich war mir nicht sicher, was sie damit meinte. Nicht ganz. Nicht … richtig. »Das Kreuz.« Ich sah es wie gebannt an. Unter meinem Blick wurde das phosphoreszierende Schimmern heller. Meine Schultern wurden von einem Prickeln gepackt, als würde sich ein Fell aufstellen. Rick wich einen halben Schritt zurück, blieb dann aber – mit sichtlicher Überwindung – stehen. Das Kreuz in meiner Hand anstarrend. »Das Blutkreuz. Es ist aus Holz. Von dem Kreuz, an dem«, das Luftholen tat weh, es fühlte sich kalt an und trocken, als würde ich Asche einatmen, »Christus gehangen hat?«
»Oder von dem, an dem der Dieb oder der Mörder gehangen haben«, sagte Rick kühl.
Sabina antwortete
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