Skinwalker: Fluch des Blutes (German Edition)
Piercings in einem hautengen lilafarbenen Paillettenabendkleid – und sonst nichts – hatte lautstark sein Recht eingefordert, auf die Damentoilette zu gehen, trotz der männlichen Geschlechtsteile, die sichtbar unter dem lilafarbenen Kleid baumelten. Dank ihres – seines? – dramatischen Auftritts konnte ich mir mein Handy und die Kamera selber nehmen und durchschlüpfen, ohne dass der Metalldetektor losging.
Der Schweiß lief mir über den Rücken, als ich hastig beides zurück in den Stiefelschaft schob, meinen Besucheranstecker entgegennahm und den gebrüllten Anweisungen folgte, indem ich die Treppe in den zweiten Stock hochstieg. Ich schlängelte mich durch das zweckmäßig, aber langweilig eingerichtete Großraumbüro, in dem es nach Starbucks roch – jemand hatte Kaffee für alle geholt, und nun lagen die Becher zerdrückt zwischen den Schreibtischen. Als ich schließlich Rick LaFleur entdeckte, hatte ich aufgehört zu schwitzen und war entspannt – oder gab mir wenigstens den Anschein. Rick saß auf einem unbequem aussehenden Schreibtischstuhl, die Füße vor sich auf dem Tisch gekreuzt. Er hatte schwarze Augen und schwarzes Haar, einen Frenchy Look, wie die Leute hier in der Gegend das nennen. Ein schöner Mann, bei Weitem der schönste, den ich kannte. Auf einer Schulter, versteckt unter dem Hemd, trug er das kunstvoll ausgeführte Tattoo eines Luchses und Pumas – meine beiden Tiere – und um die andere einen Ring aus Katzenkrallen. Und vermutlich viele Narben von einem Säbelzahntiger, der ihn angefallen hatte.
Seitdem hatten wir uns weder gesehen noch miteinander telefoniert, abgesehen von dem einen Mal, als ich ihm alles, was ich konnte, über die Attacke berichtete, die er beinahe nicht überlebt hätte. Jetzt beobachtete Rick mich dabei, wie ich den Raum durchquerte. Er lächelte nicht. Er wirkte kalt, distanziert und nicht besonders freundlich.
Warum machten nur alle meine männlichen Bekanntschaften so saure Gesichter, wenn sie mich sahen? Dagegen musste ich dringend etwas unternehmen. Denn saure Mienen konnten nur bedeuten, dass man abserviert und kaltgestellt wurde. Auch Beast hatte andere Vorstellungen, und ich spürte, wie sie durch meine Augen spähte. ›Provokativ‹ hieß Beast mit zweitem Vornamen. Ihrem Beispiel folgend, stieß ich Ricks Füße vom Tisch und nahm ihren Platz ein. »Lange nicht gesehen, Ricky-Bo. Für Katzenfutter sehen Sie bemerkenswert gesund aus.«
Er machte schmale Augen und nahm die Beine vom Tisch. Es blieben ihm ja auch nicht viele andere Möglichkeiten. Doch bevor er sie auf den Boden stellte, ließ er seine Westernstiefel von Frye und die Beine seiner abgewetzten Jeans einen Moment in der Luft hängen. Rick war nicht glücklich. Bis vor Kurzem hatte er noch undercover gearbeitet. Dabei war ich ihm als Beast gefolgt und hatte ein oder zwei Unterhaltungen belauscht, inklusive Bettgeflüster. Außerdem hatte ich ihm das Leben gerettet, aber seine Erinnerung daran war eher wirr und konfus. Wenn er sich an den Kampf erinnern würde, wäre er sicher dankbarer, redete ich mir ein. Andererseits war er immer noch an den Schreibtisch gefesselt. Laut Aussage des Trolls, dem Majordomus bei Katie’s Ladies, und Ricks Onkel, würde er jetzt, da die Vamps wussten, dass er ein Cop war, nie wieder undercover arbeiten können. Vielleicht war er mir doch nicht dankbar.
Ich beugte mich vor und sagte leise: »Ricky-Bo, ich brauche Einsicht in die Akten und Berichte über alle jungen freilaufenden Rogues, sagen wir, der letzten paar Jahre. Hat das NOPD Vampakten?«
Seine Augen wurden schärfer, und ich sah, wie etwas dahinter passierte. Ich war ziemlich sicher, dass mir das Ergebnis nicht gefallen würde. »Vielleicht. Was haben Sie dafür anzubieten?«
Eine Verhandlung. Ich hätte es wissen müssen. »Wie wäre es mit Ihrem Leben. Erinnern Sie dich daran? Und wie wäre es mit dem Rogue, der die Cops getötet hat, Ihre Freunde und Kollegen? Sie haben die Fotos gesehen. Sie schulden mir etwas.«
Ricks Gesicht verschloss sich und wurde zu einer Maske, einem Cop-Gesicht. »Vielleicht, vielleicht auch nicht. Wie wäre es, wenn Sie mir sagen, woran Sie für die Vamps arbeiten? Wenn es mir gefällt, werden wir sehen, ob das NOPD etwas hat, das Ihnen von Nutzen sein kann.«
Ich ließ es zu, dass Beast in meinen Augen erschien, und lehnte mich vor. Rick ergriff nicht die Flucht, aber sein Körper erstarrte, und ich roch das Adrenalin, das aus seinen Poren drang. Ich redete
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