Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Skinwalker: Fluch des Blutes (German Edition)

Skinwalker: Fluch des Blutes (German Edition)

Titel: Skinwalker: Fluch des Blutes (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Faith Hunter
Vom Netzwerk:
von Armen und Schenkeln, ihr Bauch sah aus wie ein halb leerer Ballon, und ihre Brüste hingen schwer an ihr herunter. Doch als sie nun die Hände der aufgehenden Sonne entgegenstreckte, strahlte sie etwas Kraftvolles aus. Noch während sie die Arme hob, brach gelbes Licht durch die Baumstämme und fiel auf ihr Gesicht. Wärmte sie. Kiefernrauch stieg auf und wurde dichter, legte sich um sie, grau in der Dämm erung.
    Ich zitterte im Morgenlicht, als sie auf Cherokee zu singen begann. Doch war es eine ältere Form als die, die Aggie und sie gewöhnlich sprachen, und sie sangen es auf eine feierliche, an- und abschwellende Weise. Ich legte die Hände flach auf den Boden, um nicht aus dem Gleichgewicht zu geraten, als ihre Worte zusammen mit dem Rauch über mich hinwegstrichen, auf und ab, auf und ab. Die Welt schien sich unter meinen Händen zu wiegen wie die Wellen des Ozeans, und doch wusste ich, dass sie sich nicht bewegte.
    In der Kälte zog sich meine Haut so sehr zusammen, dass sie schmerzte, als wäre ich in einen eisigen Gebirgsbach getaucht. Rauch stupste mich an, füllte wirbelnd den Schutzkreis. Mir schossen die Tränen in die Augen, liefen mir über die Wangen, tropften auf meine Brust. Das ist nur der Rauch, sagte ich mir, nur der Rauch. Aber tief drinnen in mir wusste ich, dass es etwas anderes war, etwas Größeres, und Beast wusste es auch, die in mir kauerte, ganz hinten in meinem Bewusstsein, den Kopf auf den Pfoten, die todbringenden Zähne verborgen.
    U ni lisis Worte hatten einen eigenen Rhythmus, ein eigenes Leben, sie waren uralt und mächtig und voller Erinnerungen an die Vergangenheit. Als der Gesang zu Ende war, ließ sie die Arme fallen. Nichts als das leise Flüstern des Bayou war zu hören. Mein Gesicht war ganz salzig, die Haut spannte; die frischen Tränen, die darüber rannen, brannten.
    Sie öffnete den perlenbestickten Beutel, der um ihren Hals hing, entnahm ihm mit der linken Hand einen Esslöffel voll Tabak. Mit ihrer Rechten fügte sie weitere Kräuter hinzu, während Aggie mir ihre Namen nannte. »Salbei zur Reinigung. Mariengras für Leben und Freude.«
    Den Namen des letzten Krautes sagte Aggie nicht laut. Vielleicht hatte es keine gebräuchliche Entsprechung. Oder es gehörte zu dem Geheimnis des Rituals, und niemand außer ihr kannte es. Die alte Frau rollte die Kräuter zu einer Art dicken Zigarre, die sie mit etwas, das aussah wie ein Hanfband, zu einem Räucherbündel umwand. Daran hielt sie einen brennenden Zweig aus dem Feuer, bis die Kräuterrolle brannte und rauchte. Sie ließ den Zweig zurück ins Feuer fallen und stand auf. Dann gab sie das Räucherbündel an Aggie weiter, die es kniend in Empfang nahm, fast als wolle sie ihr huldigen.
    Gemächliche Kreise beschreibend, beräucherte sie die Luft um ihre Mutter. Die alte Frau schwieg mit halb geschlossenen Augen und heiterem Gesichtsausdruck. Langsam drehte sie sich, die Füße ebenso langsam hebend und wieder aufsetzend wie bei einem Tanz oder der gemessenen und graziösen Kampfkunst des Tai-Chi. Ihre Mutter hielt ihre Zöpfe in die Höhe, und der Rauch legte sich um sie wie eine lebendige Schlange, berührte sie, wand sich spiralförmig höher, um ihre Beine, ihren Rücken, ihren Bauch, zärtlicher als die Hand eines Geliebten. Und während der Rauch sie umschlang, wurden die Falten in ihrem Gesicht weicher, ein leichtes Lächeln erschien auf ihren Lippen, und sie seufzte, als würde ein ständiger Schmerz für kurze Zeit nachlassen. Als es genug war, setzte sich U ni lisi , die Augen geschlossen, kaum wahrnehmbar atmend.
    Aggie hielt mir das Bündel hin und wandte sich ab. Ich kam mir ungeschickt vor, als ich das Räucherbündel nahm. Ich kniete mich hin und konzentrierte mich auf den Rauch, der in der stillen Luft aufstieg und über ihren Körper strich wie der Finger Gottes. Sie hob ihr Haar, und ich hielt das Bündel so, dass der Rauch hindurchströmen konnte. Ich drehte mich und sie ebenfalls, ein Bein anhebend, damit der Rauch die Hinterseite ihres Oberschenkels berühren und sich über ihr Gesäß winden konnte. Als jeder ihrer Körperteile vom Räucherrauch gesegnet war, öffnete sie die Augen und lächelte. Doch ihr Blick schien in die Ferne gerichtet zu sein.
    Mit einer langsamen Geste zeigte Aggie auf ihre Mutter, und ich reichte der alten Frau das Räucherbündel. Dann wandte ich mich, wie sie beide vorher, zur Seite und schloss die Augen. Der warme, duftende Rauch wand sich von meinen Knöcheln hoch, und

Weitere Kostenlose Bücher