Skiria: Am Berg der Drachen (German Edition)
zeigten sich nie zufrieden, obwohl er sich redlich bemühte. Karol zuckte zusammen, als der Schrei ertönte. Fragend spähte er zu Rabanus hinüber, als wisse der bereits, was hier vor sich ging. Ein Knattern erfüllte unvermittelt die Luft, das Karol an Zuhause erinnerte. Wenn seine Mutter kraftvoll die Fußmatte vor dem Haus ausschüttelte, um sie von Staub zu befreien, erzeugte dies ähnliche Laute.
Mit einem Ruck zog Rabanus beinahe zeitgleich mit Agata sein Schwert aus der Scheide. Karol suchte Schutz hinter einem Busch, als das Brüllen einsetzte. Es klang wie das Wehgeschrei eines Kindes, dem Schreck und Schmerz gleichermaßen stark zusetzten. Lautlos tasteten sich Agata und Rabanus vorwärts, bereit, ihr Leben zu verteidigen. Karol lugte vorsichtig hinter dem Busch hervor. Er sah zuerst das gigantische Wesen, das sich unweit von den Jägern gerade in die Luft erhob.
Schlimmes ahnend folgte Skiria Ramins Blick, doch sie konnte zunächst nichts Außergewöhnliches erkennen. Bis sie schließlich etwas entdeckte: In einer Felsennische zeichnete sich ein schemenhafter Umriss ab. Sie befürchtete, dass es sich nicht um einen Stein handelte, dafür wirkte die Form des merkwürdigen Objektes zu unruhig und glich eher einem sonderbaren Geschöpf, das sich dort niedergelassen hatte. Skiria fühlte sich entfernt an einen Vogel erinnert. Ein besonders mächtiges Exemplar, das unbeweglich auf seinem Platz verharrte, als sei es ausgestopft. Vielleicht schlief es.
Funkelnde, gelbe Augen blitzten auf. Sein schwarzes Gefieder sträubte sich. Das schnabellose Maul öffnete sich weit und ließ in einen zahnlosen, schwarzen Rachen blicken.
Jäh entfalteten sich mächtige Flügel und ließen die Kreatur dadurch dem jungen Drachen in Größe und Gefährlichkeit ebenbürtig erscheinen.
„Renn’ um dein Leben!“, schrie Ramin, der vor dieser Begegnung erst einmal einem Phyraton gegenüber gestanden hatte.
Damals hatte seine Mutter den Vogel nach einem heftigen Kampf vertrieben. Nun aber musste Ramin seine menschliche Freundin beschützen. Für einen kurzen Moment bereute er, Skiria in die Drachenwege gebracht und damit dieser Gefahr ausgesetzt zu haben. Doch es blieb keine Zeit für Vorwürfe. Bevor Skiria loslaufen konnte, löste sich aus dem Maul des Phyraton ein schauerlicher Schrei. Skiria erstarrte. Ihre Beine schienen plötzlich aus einer gallertartigen Substanz zu bestehen, die sich nicht dafür eignete, aufrecht zu stehen. Während die überdimensionierten Flügel des Vogelwesens auf und nieder schlugen, fiel Skiria auf die Knie und verursachte, den Würgereiz in ihrer Kehle zu unterdrücken.
Ramin schoss auf den Phyraton zu, stieß einen Dampfstoß aus und schleuderte schließlich eine Stichflamme auf das Tier, das sich pfeilschnell in die Luft katapultierte und so der Gefahr nur knapp entkam. Wie ein Raubvogel auf Beutesuche kreiste er nun heftig flatternd unter dem Dach der Höhle. Als wolle er den Drachen damit verhöhnen, stieß er leise, heulende Laute hervor. Skiria überfiel Panik, als durch ihren Rachen kaum mehr Luft zu strömen schien. Röchelnd griff sie sich an den Hals, als lindere dies ihre Atemnot. Kalter Schweiß verströmte sich über ihren Körper, warme Nässe lief an der Innenseite ihrer Beine hinab. Der grausame Gesang schmerzte in ihrem Kopf, ließ ihre Eingeweide krampfen, drohte ihre Kehle zuzuschnüren.
Während Skiria sich qualvoll am Boden wand, begann auch Ramin die Auswirkungen der Attacke zu spüren. Die schmerzvollen Stiche über seinen Augen ließen ihn wild den Kopf schütteln. Statt der gewaltigen Feuersbrunst, die er plante, auf das Ungeheuer zu schleudern, lösten sich lediglich einige armselige Fünkchen aus seinem Schlund. Sie erloschen, bevor der Phyraton den erneuten Angriff überhaupt registrieren konnte. Das Vogelwesen wirkte freudig erregt, als bereite es sich bereits vor, mit seinen Krallen menschliche Haut zu zerfetzen und seinen Durst mit köstlich frischem Blut zu stillen.
Ramin kämpfte vehement gegen die Leiden an, die der entsetzliche Gesang des Monstrums verursachte. Er durfte keinesfalls dem Wahnsinn verfallen, denn dann erlangte der Phyraton die endgültige Oberhand über sein Opfer. Vielmehr musste er sich zusammen reißen und versuchen, ruhig zu bleiben.
Ramin konzentrierte sich völlig auf den Vogel. Genau in dem Moment, als die schwarze Kreatur senkrecht über ihm stand, nahm Ramin seine gesamte verbliebene Kraft zusammen, legte den Kopf in
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