Skiria: Am Berg der Drachen (German Edition)
trugen. An dem zwergenhaften Greis wirkte es jedoch seltsam albern, fand Gwendol, trotz allen Respekts, den er dieser Person entgegenbrachte.
Er hatte sich den Magier anders vorgestellt, größer, erhabener und mit gütiger Miene, aber was bedeutete schon sein Aussehen. Wichtiger schien es ihm, dass sich der Zauberer bereit erklärte, ihn als Schüler aufzunehmen. Etwas verlegen verbeugte sich Gwendol tief, während er leise verlauten ließ: „Großer Hazaar, es ist mir eine Ehre, euch dienen zu dürfen.“
Doch der Mann beachtete ihn überhaupt nicht, denn in diesem Moment entdeckte er Ramin. Von dessen Anblick völlig entsetzt, goss er das Wachs statt über das zu versiegelnde Dokument über seine Finger. Blitzartig zog der Alte seine Hand weg und schüttelte sie mit schmerzverzerrtem Gesicht, bevor er hurtig aufsprang, sodass sein Stuhl nach hinten umkippte.
„Wer hat das Monstrum hier hereingelassen? Seid ihr komplett von Sinnen? Es wird unsere kostbare Einrichtung zerstören!“, blaffte er seine Untergebenen an.
Vergeblich versuchten die Wachen, sich zu rechtfertigen, doch nun hüpfte das Männlein um den Tisch herum, fuchtelte hektisch mit beiden Armen in der Luft herum und rief Ramin immer wieder zu: „Hinaus! Du bist hier nicht erwünscht!“, während er mehr zu sich selbst sprach: „Wenn das Hazaar erfährt! Wie soll ich das bloß erklären?“
Ramin stand felsenfest im Zimmer und wich nicht eine Elle zurück, obwohl die Wächter gegen seine Brust drückten, um ihn zum Umkehren zu bewegen.
„Bist du denn nicht Hazaar?“, erkundigte sich das Tier unbefangen.
„Natürlich bin ich nicht Hazaar!“
Von Neugierde getrieben, fragte Ramin ungerührt weiter: „Wer bist du dann?“ Die fahle Haut des Mannes rötete sich zornig, als stünde ein weiterer Wutausbruch bevor, aber schließlich beruhigte er sich wieder.
Der Drache missachtete zwar grob die Vorschriften, aber letztendlich würde das Ungetüm einsehen müssen, das sich an diesem Ort selbst Drachen unterzuordnen hatten. Mit blasierter Miene erklärte er: „Ich heiße Gugar und diene unserem verehrenswerten Meister bereits seit fünfundzwanzig Jahren als Empfangssekretär.“
Sein Stolz ließ ihn beinahe ein Stück wachsen, während er wieder Platz nahm, ein Pergament auseinander rollte und fahrig nach einem Schreibgerät suchte.
„Was wollt ihr also von Hazaar? Ich muss euer Anliegen aufnehmen, damit ich dessen Dringlichkeit einstufen kann.“
„Ich will bei ihm in die Lehre gehen!“, platzte Gwendol heraus.
Die Augen des Sekretärs weiteten sich ungläubig, bevor er erneut zu zetern begann: „Glaubst du denn tatsächlich, der mächtige Meister nähme sich der Ausbildung eines kleinen Wurms, wie du einer bist, an? Täglich suchen Menschen Hazaar auf, die dringend seine Hilfe benötigen, denen schreckliche Flüche auferlegt wurden, die an fürchterlichen Krankheiten leiden. Schwarze Zauberer stiften Unheil im Land und bedrohen das Leben meines Meisters. Und du kommst daher und denkst, Hazaar könne sich auch noch um einen Lehrling kümmern?“
„Aber ich...“, begann Gwendol kleinlaut, wurde jedoch von Ramin unterbrochen, der eifrig einwarf: „Der wahre Grund unserer Anwesenheit ist ein ganz anderer. Meine Freundin ...“
„Schweigt!“, herrschte Gugar die beiden an und befahl: „Ihr geht jetzt in dieses Zimmer und wartet dort, bis ihr gerufen werdet!“
Sein schrumpeliger Finger deutete auf die Tür hinter sich.
„Wird’s bald!“, forderte er sie barsch auf, als Ramin und Gwendol nicht sofort reagierten.
Eingeschüchtert schlichen sie schließlich an dem hageren Greis vorbei und betraten eine Art Wartesaal.
Obwohl sich in dem Raum mehrere Personen befanden, herrschte hier absolute Stille. Ramin witterte befremdet die abgestandene, trockene Luft. Das geschlossene Fenster bot einen Blick auf einen kleinen Innenhof hinab, auf dem eine Wache mit abgehackten Schritten patrouillierte. Die Wände zierten gülden gerahmte Gemälde, die allesamt verschiedene Männer in weißen Kutten zeigten.
Bis auf wenige Sitzgelegenheiten, auf denen wartende Menschen Platz genommen hatten, befanden sich keine weiteren Möbelstücke in dem Zimmer. Gwendol entfuhr ein überraschter Aufschrei, als er bekannte Gesichter entdeckte.
Das bunt gewandete Pärchen, das ihm auf dem Weg zum Schloss begegnet war, saß auf einer steinernen Bank, die über die gesamte Breitseite des Raumes reichte. Über ihre Gesichter huschte ein erkennendes Lächeln,
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