Sklaven der Begierde
würdest“, stellte Kingsley fest. Er musste schmunzeln, obwohl ihm die Tränen in den Augen standen, Tränen der Frustration.
„Ganz genau – eine Verschwendung …“, Søren küsste seinen Brustkorb, „… meiner …“, Søren küsste seine Hüfte, „… kostbaren Zeit …“ Søren küsste seinen Bauch, kaum zwei Zentimeter von jener Stelle entfernt, an der Kingsley ihn so verdammt verzweifelt haben wollte.
„Ich sterbe aber sowieso, wenn du mich nicht gleich kommen lässt.“
„Dein Hang zur Übertreibung ist wirklich peinlich. Du solltest dich schämen.“
„Das tue ich ja. Oder vielmehr, ich würde es, wenn ich noch irgendein Schamgefühl hätte. Habe ich aber nicht.“
„Kein Schamgefühl? Man sollte ja annehmen, dass du dann ein bisschen mehr betteln würdest, als du es bisher getan hast …“
Kingsley verstand den Wink und hätte vor Freude fast laut gelacht. Manchmal machte Søren das – ihm Tipps geben, ihn zur gewünschten Reaktion animieren. In solchen Momenten fühlte Kingsley sich umso mehr wie ein Diener, wie ein Kind, wie eine Sache, die man besitzen konnte. Søren wollte, dass Kingsley nach seiner Pfeife tanzte. Dass er bettelte, wenn Søren danach war, ihn betteln zu hören. Dass er weinte, wenn Søren danach war, ihn weinen zu sehen. Und dass er sich ihm bedingungslos unterwarf, in jeder einzelnen Sekunde. Denn Unterwerfung war das, was Søren mehr begehrte als alles andere.
Unterwerfung – Kingsley hatte nie verstanden, was das eigentlich war. Nicht bis zu seiner ersten kompletten Nacht mit Søren. Beim ersten Mal, bei jener brutalen Begegnung damals im Wald, hatte Søren einfach nur seinen Körper gebrochen. Beim zweiten Mal, auf dem Felsvorsprung über dem Tal, hatte er seinen Willen gebrochen. Doch als sie ihre erste gemeinsame Nacht in der Hütte verbrachten und bis zur Morgendämmerung dort blieben, da begriff er, dass Unterwerfung nicht hieß, sich einem Feind zu ergeben, sondern einem Partner. Obwohl Søren ihm nie sagte, dass er ihn liebte oder auch nur gernhatte, hörte Kingsley die Zuneigung aus jedem „wir“, das in dieser langen Nacht über seine Lippen kam.
„Wir sollten heute Nacht hierbleiben“, hatte Søren gesagt.
„Wir sollten schlafen – wenigstens eine Weile“, hatte Søren geflüstert.
„Wir sollten nicht zusammen zurückgehen. Jemand könnte uns sehen“, hatte er am Morgen entschieden.
Währen dieser ersten gemeinsamen Nacht hatte Søren Kingsley erst geschlagen, dann mit dem Gesicht nach unten ans Bett gefesselt, und schließlich war er in ihn eingedrungen, wieder und wieder. Und bei jedem Stoß hatte Kingsley „Je t’aime“ in die Laken geflüstert. Tausendmal musste er diese Worte gesagt haben, und tausendmal hatte er sie gemeint. Als er am Morgen aufwachte, lag sein Kopf auf Sørens Brust, und Søren hatte seine perfekten Pianistenfinger in Kingsleys langes Haar gewunden. Kingsley war fast gelähmt vor Schmerzen, aber er konnte nicht aufhören, zu lächeln.
Einer der Priester hatte in dieser Woche in der Kapelle die Geschichte von Jakob gelesen, der so lange mit einem Engel kämpft, bis er ihm seinen Segen abgerungen hat. Doch wie sich herausstellt, ist der Engel in Wahrheit Gott selbst. Jakob hat also mit Gott gerungen. Und er hat in dieser Nacht Gottes Segen empfangen – und dazu eine Hüftverletzung, die niemals heilte. Jakob humpelte für den Rest seiner Tage. Die Botschaft war, dass niemand nach einer Begegnung mit Gott völlig ungeschoren davonkam. Auch Kingsley humpelte an diesem Morgen davon – und an jedem weiteren Morgen nach jeder weiteren Nacht mit Søren. Aber er wusste, dass er nicht humpelte, weil er verflucht worden war. Sondern weil er gesegnet worden war.
Wenn Søren also jetzt wollte, dass er bettelte, dann würde er das tun. Und wie!
„Bitte …“, seufzte er. „Monsieur. Ich tue alles, was du von mir verlangst. Wirklich alles. Aber bitte lass mich kommen … bitte …“ Und weiter und immer weiter. Kingsley erniedrigte sich, während Søren seine sinnliche Attacke ungerührt fortsetzte. Ja, das war es, nichts anderes: eine Attacke, ein Angriff. Je sanfter und behutsamer Søren ihn berührte, desto schmerzlicher sehnte Kingsley sich nach mehr. Selbst die schlimmsten Schläge taten nicht so weh wie diese Art der Zärtlichkeit. Nur Søren brachte es fertig, erotisches Vergnügen zur brutalen Tortur zu machen. Seine zarten Liebkosungen brachten sämtliche Nervenenden zum Glühen. Nach einer Stunde unter
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