Sklaven der Begierde
wieder zu, bevor er sie faltete und aufs Bett legte. Seinen Schlips hatte Søren bereits abgenommen, er hatte ihn als Knebel verwendet. Kingsley öffnete Sørens Hose und zog das Hemd aus dem Bund. Nach jedem geöffneten Knopf drückte er einen Kuss auf Sørens nackte Brust. Søren reagierte nie, wenn er das tat. Weder seufzte er vor Wonne, noch äußerte er Missbilligung. Er ignorierte es einfach. „Hat es mit der Schule zu tun? Ich weiß, dass gerade viele Prüfungen anstehen. Da hast du bestimmt zu viel zu tun, um dich mit mir zu treffen.“
„Ich habe immer zu viel zu tun, um mich mit dir zu treffen“, sagte Søren, während Kingsley ihm das Hemd auszog. Das sagte er oft – dass er eigentlich zu beschäftigt wäre, um sich mit Kingsley zu beschäftigen. Und doch kamen sie wieder und wieder in die Hütte. Einmal hatte Kingsley all seinen Mut zusammengenommen und gefragt, warum Søren sich Zeit für ihn nahm. „Ich nehme mir keine Zeit für dich“, antwortete Søren. „Ich nehme mir Zeit für mich.“
„Also sind es die Prüfungen?“
Søren lächelte leicht in sich hinein. Kingsley zog ihm die Hosen herunter. Søren stieg aus ihnen heraus und stand nun nackt da. Kingsley rutschte an die Bettkante und legte seinen Kopf an Sørens Bauch. Sich mehr Freiheiten zu nehmen wagte er nicht. Wenn er gut gewesen war, ließ Søren ihn die ganze Nacht neben sich im Bett schlafen. Wenn er auf irgendeine Weise sein Missfallen erregt hatte, musste er mit nur einer Decke vor dem Kamin auf dem Fußboden schlafen.
„Nein. Die Schule kriegt demnächst Besuch. Und ich fürchte, dass wir ihretwegen weniger Zeit füreinander haben werden.“
„Ihretwegen? Wer ist sie? Wieder eine Schwester?“ Vor zwei Wochen war eine Benediktinerin da gewesen. Schwester Scholastica hatte drei Tage lang als Gastdozentin in Father Patricks Theologieklasse unterrichtet. Die Nonne war sechzig Jahre alt und von Kopf bis Fuß in ihre Ordenstracht gehüllt. Doch die Anwesenheit einer Frau in St. Ignatius war so ungewohnt, dass selbst der gemütliche Father Henry in Verlegenheit kam und gelegentlich sogar errötete.
„Ja.“ Søren legte eine Hand an Kingsleys Kinn und drehte sein Gesicht so, dass er ihm in die Augen schauen konnte. „Deine.“
NORDEN
DIE GEGENWART
Kingsley stand am Fenster seines Schlafzimmers und schaute hinaus auf die City. Seit er nach New York gekommen war und den dortigen Untergrund erst erobert und dann zu seiner eigenen Spielwiese gemacht hatte, fühlte er sich in gewisser Weise verantwortlich für seine Wahlheimat. Frankreich hatte ihn an die Ufer von Manhattan gespuckt, und er war in den vielleicht berühmtesten Stadtbezirk der Welt hineingekrochen und hatte beschlossen, ihn zu kaufen.
Die Menschen in seiner Welt waren Monster. Zerstört, beschädigt, zerbrochen, verachtet, weggeworfen … Die meisten hatten Geld, aber es fehlte ihnen an Würde, an Stolz. Man hatte ihnen gesagt, dass sie nicht dazugehörten, und sie hatten diese Lüge geglaubt. Oder vielleicht war es auch gar keine Lüge. Vielleicht gehörten Leute wie er – Männer, die diesen unglaublichen Machtkick spürten, wenn sie eine Frau an den Rand der Panik brachten, oder Menschen, die, ebenfalls wie er, unfassbare Lust empfanden, wenn sie auf die Knie gezwungen wurden – wirklich nicht in die Welt. Jedenfalls nicht in die Tageslichtwelt, die so tat, als sie bestens geeignet für zivilisierten Umgang. Er und seinesgleichen gehörten in die Dunkelheit, in die Nacht, in jene heimlichen und verbotenen Ecken und Winkel, die die Kinder des Lichts nie zu sehen bekamen. Eine Frau wie Nora Sutherlin – was würde die normale Welt mit so einer Frau machen? Sie war zu stark und zu klug, um sich domestizieren zu lassen, und das hieß, dass sie in den Augen dieser normalen Welt verdächtig war. Sie würde tausend Liebhaber haben und keinen Ehemann. Und Søren, le prêtre , gehörte auch nur halb dazu. Die normale Welt sah in ihm einen guten Priester, und sie hatte recht. Aber nur wenige sahen und kannten den anderen, dunkleren Teil von Sørens Persönlichkeit.
Kingsley wollte auf all jene aufpassen, die nur auf den Schattenseiten und in den finsteren Ecken der Welt zum Leben erwachten. Aber wer konnte auf so viele Menschen aufpassen? Und so bewachte er stattdessen die Schattenseiten und die finsteren Ecken. Und jetzt hatte jemand die Grenzen dieser Schattenwelt durchbrochen und in Kingsleys Haus Blut vergossen. Und zwar auf die einzige Art und Weise, die
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