Sklaven der Begierde
und ich, wir kennen uns schon sehr lange, und …“
„Mein Sohn ist zwanzig Jahre alt, Miss Sutherlin. Er kennt überhaupt niemanden sehr lange.“
Wesley sah, wie sie dieses gewisse Lächeln aufsetzte. Er kannte es gut. Es kam immer dann zum Einsatz, wenn Nora Männer dazu zu bringen wollte, ihr zu Willen zu sein. Das Lächeln hatte ihr schon zahllose Strafzettel wegen überhöhter Geschwindigkeit erspart – zwei allein auf der Fahrt hierher. Wenn er doch nur auf telepathischem Wege mit ihr kommunizieren könnte! Das Erste, was er ihr mitteilen würde, wäre: Hör auf zu lächeln. Lass es. Glaub mir, ich weiß, wovon ich rede .
„Ich habe das Gefühl, dass wir uns auf dem falschen Fuß erwischt haben, Mr Railey“, fuhr Nora fort. „Vielleicht könnten wir ja reingehen und unser Gespräch dort fortsetzen? Wesley hat in Connecticut für mich gearbeitet. Er …“
Wesleys Vater ging gemächlichen Schrittes auf sie zu. Aber das hatte nichts zu sagen. Jackson Railey erledigte alles Mögliche gemächlich. Gemächlichkeit war sozusagen sein Markenzeichen. Früher, als Kind, hatte Wesley gedacht, sein Dad sei einfach ein besonders entspannter, lässiger Mensch, der sich nicht hetzen ließ und niemals jemanden zur Eile antrieb. Doch als er älter und klüger wurde, ging ihm auf, dass sein Vater sich nur deshalb so langsam bewegte, weil er gern auf sich warten ließ. Wenn man ihn etwas fragte, wusste er nach einer Sekunde, was er sagen würde. Aber er antwortete erst nach einer Minute. Für Dinge, die man in ein paar Minuten erledigen konnte, brauchte er Stunden – nur um aller Welt zu demonstrieren, dass er es sich erlauben konnte. Dass er reich und mächtig genug war, um jede Menge Zeit und Geld zu verschwenden.
„Ich weiß, wer Sie sind, Miss Sutherlin.“
Mit jedem Schritt, der seinen Vater näher zu Nora brachte, hämmerte Wesleys Herz heftiger. Diese Begegnung war von Anfang an schiefgelaufen, und nun drohte sie vollkommen aus dem Ruder zu laufen.
„Ein Fan? Wie nett.“ Sie lächelte immer noch.
„Das würde ich so nicht sagen, Madam.“
Wesley versuchte verzweifelt, sich zwischen die beiden zu manövrieren. Sein Dad hatte es zwar nicht nötig, körperliche Gewalt anzuwenden – aber das hieß nicht, dass er ungefährlich war. Seine Worte waren ausreichend scharfe Waffen, vor allem, wenn er so zornig war wie jetzt. „Dad. Lass uns reingehen und miteinander reden.“
„Diese Frau wird mein Haus nicht betreten. Und ich bin ehrlich gesagt entsetzt, dass du so etwas überhaupt vorschlagen kannst, J. W.“
„Diese Frau?“ Wesley stellte sich aufrechter hin und blickte direkt in die blauen Augen seines Vaters. Er selbst hatte die braunen Augen seiner Mutter geerbt und auch ihr Temperament. Nur eine gewisse Ähnlichkeit in der Kinnpartie ließ darauf schließen, dass Jackson und er überhaupt miteinander verwandt waren. „Diese Frau ist meine beste Freundin, Dad. Sie ist außerdem New-York-Times-Bestsellerautorin, und das mit gleich vier Romanen.“
„Inzwischen sind es sogar fünf“, präzisierte Nora und blinzelte ihm aufmunternd zu.
Das Zwinkern gab ihm die Kraft, weiterzumachen. Plötzlich wusste er wieder: Nora war hart im Nehmen. Sie konnte einstecken, was immer sein Dad ihr an den Kopf werfen würde. In den fünfzehn Monaten ihrer Trennung hatte Wes doch tatsächlich beinahe vergessen, wie viel Spaß es ihr machte, wenn man sie beschimpfte.
„Entschuldige, Nor. Das neue Buch hatte ich noch nicht auf dem Schirm. Sie ist fünffache New-York-Times-Bestsellerautorin und außerdem …“
„Eine Nutte.“
Die Beleidigung hing zwischen den beiden in der Luft. Wesleys rechte Hand ballte sich unwillkürlich zur Faust. Sein Vater war verdammt nahe dran, seinen Sohn zum Ausrasten zu bringen.
„Ohh“, schnurrte Nora, jetzt mit diesem verruchten Lächeln, das Männer entweder dazu brachte, zu ihren Füßen niederzusinken oder um ihr Leben zu rennen, „ein Mann klarer Worte. Das kann ich respektieren.“
„Nimm das sofort zurück, Dad“, sagte Wesley kalt. „Du hast keine Ahnung, wovon du redest.“
„Ich weiß ganz genau, wovon ich rede, J. W. Oder dachtest du, deine Mutter und ich hätten dir damals geglaubt, dass du nur deshalb zurück nach Kentucky kommen wolltest, weil du Heimweh hattest? Zwei Jahre lang hast du uns vom Collegeleben vorgeschwärmt, immer wieder hast du erzählt, wie glücklich du in Connecticut bist und dass du am liebsten dein Leben lang dort bleiben willst. Und
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