Sklaven der Begierde
und beobachtete ihn beim Beten.
Vor Schreck ließ Kingsley die Rose fallen.
Stearns machte einen Schritt vorwärts.
Kingsley machte einen Schritt zurück.
Stearns blieb stehen.
Kingsley rannte los.
Die Schule war eine Oase in einer Wüste aus Bäumen. Rundherum gab es nichts als grüne Hölle. Dichter Wald und Hügel und Täler und Felsen. Kingsley empfand dieses Übermaß an Landschaft normalerweise als bedrohlich, ja geradezu furchterregend. Ein Labyrinth, in dem man nur allzu leicht verschwinden konnte. Doch jetzt flüchtete er dorthin, um sich in Sicherheit zu bringen.
Die Bäume boten allerdings nur wenig Schutz. Als Kingsley versuchte, sich durch das unberührte Dickicht einen Weg zu bahnen, peitschen die Äste ihm ins Gesicht, bis seine Haut brannte. Aber er blieb nicht stehen, raste nur noch schneller zwischen den Stämmen hindurch, trotz der schmerzhaften Schläge, die ihm die Zweige versetzten, trotz der Angst, die seine Knie so weich werden ließ, das er fast zu Boden stürzte.
Schließlich erreichte er eine Lichtung. Es dämmerte bereits, und der Himmel über ihm färbte sich rot. Bald würde es dunkel sein, und er wäre hier in den Wäldern verloren. Allein … oder noch schlimmer: nicht allein.
Ein Zweig knackte. Er zuckte zusammen und drehte sich hastig um. Kingsley wartete nicht, bis der andere sich zeigte. Ohne eine Sekunde zu zögern, rannte er wieder los, noch tiefer in den Wald hinein. Die grüne Hölle zog sich um ihn zusammen, und er ließ sich auf Hände und Knie fallen, um durch eine schmale Öffnung im Dickicht zu kriechen. Die Dornen eines Busches bohrten sich tief in seine Stirn, und er schrie auf. Blut lief ihm in die Augen, aber er gab nicht auf, er schob sich weiter durchs Unterholz und kam tatsächlich frei. Er stand auf und fing wieder an zu laufen. Oder versuchte es zumindest. Jemand packte ihn von hinten, packte ihn an seinem Hemd und stieß ihn hart an einen Baum. Die raue Rinde kratzte schmerzhaft an seinem Rücken. Im Schatten der Baumkronen konnte er kaum etwas sehen. Er griff blindlings in die Finsternis, fühlte Stoff unter seinen Fingern und zerrte daran. Er bekam etwas Kühles zu fassen, zog und hatte es plötzlich in der Hand. Der Griff des anderen lockerte sich ein wenig, und Kingsley gelang es, sich loszureißen. Er nahm seine Flucht wieder auf.
Rinnsale von Blut und Schweiß strömten ihm übers Gesicht. Er wischte sich mit dem Ärmel über die Augen, um den Blick freizubekommen, und sah, dass er eben ein kleines Silberkreuz an einer dünnen Kette erbeutet hatte. Er rannte weiter, immer bergauf, und die Schritte folgten ihm, offenbar unermüdlich.
Als er die nächste Lichtung erreichte, blieb er stehen und ließ sich keuchend auf die Knie fallen. Er konnte nicht mehr.
Hinter ihm erklang das Geräusch von Schritten auf nassem Laub. Seine Finger schlossen sich um das silberne Kreuz. Er würde es nicht mehr hergeben, was immer auch passierte.
Keiner von beiden sprach ein Wort. Kingsley versuchte noch einmal, sich freizukämpfen, als Stearns ihm die Kleider vom Leib riss und ihn bäuchlings zu Boden drückte. Aber er war mit seiner Kraft am Ende, und so konnte er nichts anderes tun, als sich zu ergeben. Jede noch so kleine Bewegung ließ ihn vor Schmerzen aufstöhnen. Nein, so hatte er es nicht gewollt. Nicht hier auf dem Waldboden, blutig und angeschlagen und fast wahnsinnig vor Angst. Aber er würde den Schmerz und die Demütigung ertragen. Für diese Kommunion, diese Vereinigung, um die er gebetet hatte, würde er alles hinnehmen.
Stearns streichelte ihn vom Nacken bis zu den Hüften. Ja, beschloss Kingsley, das war genau das, was er wollte.
Als Stearns in ihn hineinstieß, schrie Kingsley auf. Stearns legte ihm die Hand fest auf den Mund. Kingsley presste die Kiefer zusammen und nickte, dankbar für den Druck der Finger gegen seine Zähne.
Die Penetration war das Schmerzhafteste, was ihm je im Leben zugefügt worden war. Selbst das Messer in seiner Brust war dagegen lächerlich gewesen. Nein, nichts auf der Welt hatte ihm je so wehgetan.
Inmitten seiner Qualen spürte er Stearns Mund auf seiner Schulter. Kingsley schmolz förmlich dahin. Plötzlich war ihm völlig egal, ob er diese Nacht überlebte oder nicht. Dieser sanfte Kuss war alles, wonach er sich jemals gesehnt hatte. Sein Leben war jetzt vollkommen, und wenn das Schicksal es denn so wollte, dann würde er gleich glücklich sterben.
Zeit verging, aber Kingsley war sich dessen nicht bewusst. Nach
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