Sklaven der Begierde
überhaupt ein Wort herausbringen würde.
„Und dann hast du mich rausgeworfen. Wegen Søren. Du hast mich davongejagt, nachdem ich eineinhalb Jahre mit dir zusammengelebt hatte. Nachdem ich dein Geschirr gespült habe, dein Essen gekocht, dein Büro aufgeräumt. Ich habe dich oft ins Bett getragen, nachdem du am Schreibtisch eingeschlafen warst, weil du zu viel Wein getrunken oder zu viel geschrieben hattest, oder auch beides. Und plötzlich sollte ich gehen. Als ob dir das alles gar nichts bedeutet hätte.“
Endlich fand Nora ihre Stimme wieder. „Es hat mir alles bedeutet, Wesley. Ich wollte nur … Wesley …“ Sie schloss die Augen. „Du warst an dem Tag, an dem wir uns getroffen haben, achtzehn Jahre alt.“
„Siebzehn.“
„Was?“
„Ich war siebzehn Jahre alt. Mein Geburtstag ist im September, hast du das etwa vergessen? Ich bin erst zwei Wochen nach Schulbeginn achtzehn geworden.“
Nora drückte die Hand auf ihren Bauch. „Siebzehn – noch nicht mal alt genug, um wählen zu gehen. Am ersten Tag des Schuljahrs, am Tag, an dem wir uns getroffen haben, warst du siebzehn Jahre alt. Kingsley hat mich an dem Morgen angerufen. Ich war verkatert und lag gerade auf Griffin Fiske, als das Telefon klingelte. Der Direktor deiner Schule war einer von Kingsleys besten Kunden.“
Wesley lachte gekünstelt. „Das ist nun wirklich eine Information zu viel.“
„Du musst aber wissen, was ich dir jetzt erzähle. Kingsley rief mich an und schickte mich ans Yorke-College, an deine Schule. Der Mann, der den ersten Jahrgang in kreativem Schreiben unterrichten sollte, hatte einen Herzinfarkt. Sie brauchten dringend Ersatz. Und ich war die einzige Autorin, die sie so kurzfristig bekommen konnten. Mein Gott, was war das für ein grässlicher Morgen. Ich hatte Streit mit Kingsley wegen des Jobs, Streit mit Griffin, weil er sich beschwerte, dass er mich niemals richtig dominieren dürfe, Streit mit meiner alten Lektorin bei Libretto, weil sie mir siebzehn Seiten mit Änderungswünschen schickte. Siebzehn verfickte Seiten. Ich sagte ihr, dass sie mich wohl mit einer Schnulzenschreiberin verwechsele. Dass ich nun mal Dreck schreibe, mit mindestens sechs Hardcore-Ficks pro Buch. Und dass sie das entweder akzeptieren könne – oder mich mal am Arsch lecken solle.“ Nora grinste, wurde aber gleich wieder ernst.
„Du siehst also, es war wirklich ein Scheißtag. Und alles, wonach ich mich an diesem Scheißtag verzweifelt sehnte, war Søren. Ich hatte solche Sehnsucht nach ihm, dass es wehtat. Er würde all diesen Mist aus meinem Leben verschwinden lassen. Wäre ich an diesem Morgen noch seine Kleine gewesen, hätte er Griffin zu Tode geängstigt, hätte Kingsley gesagt, dass er sich jemand anderen suchen soll, hätte mir gesagt, ich solle die Klappe halten und gefälligst tun, was meine Lektorin von mir verlangt. Dann hätte er mich ausgezogen, ins Bett gebracht, seinen schönen nackten Körper gegen mich gepresst und mich festgehalten, bis ich eingeschlafen wäre. Und wenn ich dann aufgewacht wäre, hätte ich mich wieder wie ein Mensch gefühlt.“
„Ich will das nicht hören. Ich will nicht …“
„Wesley, hör mir zu. Der Tag, an dem ich dich getroffen habe, hatte schrecklich angefangen. So schrecklich, dass ich nichts lieber getan hätte, als die Existenz, die ich mir selbst aufgebaut hatte, aufzugeben, zu Søren zurückzukehren und mein Dasein weiterhin zu seinen Füßen zu fristen. Du glaubst, dass er Furcht einflößend und gefährlich ist. Aber in Wahrheit war ich nie sicherer als in den Jahren mit ihm. Erst als ich ihn verlassen hatte, wurde alles schwierig und erschreckend und hässlich. An manchen Tagen liebte ich es, für Kingsley zu arbeiten. An anderen Tagen, wenn mich ein Klient wieder dafür bezahlt hatte, dass ich ihm Dinge antat, die kein Mensch einem anderen antun sollte, nicht für Geld und nicht für Liebe, wollte ich danach einfach nur mein Auto vollkotzen. Und an diesem Tag war ich so weit, zu Søren zurückzugehen. Ich hätte ihn angerufen, hatte es fest vor. Ich würde zu deiner Schule gehen und mir diese dämliche Klasse ansehen und mich dann so danebenbenehmen, dass sie mir hoffentlich die Tür weisen würden. Und dann würde ich ihn anrufen und ihn fragen, ob ich in sein Pfarrhaus kommen dürfe. Und wenn ich dann dort wäre, würde ich ihm mein Halsband geben, vor ihm auf die Knie sinken und ihn anflehen, mich zurückzunehmen. Das war mein Plan. Und so wäre es auch gekommen, daran
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