Sklaven der Begierde
auf bewährte Weise, und wenn er sie dann in sein Schlafzimmer bat und ihr nahelegte, die Beine für ihn zu spreizen, tat sie das auch. Immer. Ohne Ausnahme. Und wenn er dann mit ihr fertig war, ging er seiner Wege, und sie war diejenige, die fortan neben dem Telefon darauf wartete, dass er sie wieder zu sich rief.
Jetzt wartete er und hoffte und sagte sich jeden Tag: „Heute … heute wird es passieren.“ Aber es passierte nicht an diesem Tag. Und auch nicht am Tag darauf.
Kingsley war noch nie so dankbar dafür gewesen, dass die Badezimmer in den Schlafsälen der älteren Jungen Türen hatten, die man abschließen konnte. Er verbrachte dort mehr Zeit als üblich, und das nicht etwa aus Gründen der Hygiene oder weil er eine Magenverstimmung hatte. Das qualvolle Warten darauf, dass Søren den ersten Schritt machte, hatte ihn in einen Zustand chronischer nervöser Erregung versetzt. Minuten nachdem er gekommen war, spürte er bereits wieder das vertraute Ziehen im Bauch, den Druck im Rücken, die Spannung in den Oberschenkeln … und er wusste, dass nur eine Nacht mit Søren dieses verzehrende Verlangen stillen konnte. Eine Nacht, die offenbar nie mehr stattfinden würde.
Nach einer Woche rang Kingsley sich zu der Erkenntnis durch, dass Søren ihn verarscht hatte. Diese eine Nacht im Wald war einfach nur brutal gewesen, hatte nichts mit Lust zu tun, nichts mit Liebe; es war reine Gewalt, sonst gar nichts. Es hatte für Kingsley alles bedeutet und für Søren gar nichts. Zumindest versuchte er sich das einzureden. Und wenn es immer noch Stearns gewesen wäre und nicht Søren, hätte Kingsley vielleicht sogar daran glauben können, dass jene Nacht bedeutungslos war. Aber er kannte jetzt Sørens Namen, und Namen hatten Macht. Und so lief er weiter mit schmerzendem Magen und wundem Herzen herum.
Freitagnacht konnte er nicht einschlafen. Das körperliche Unbehagen war nichts im Vergleich zu der Seelenpein. Er hielt es einfach nicht mehr aus, endlos zu warten und noch nicht mal ein kleines Zeichen zu bekommen.
Irgendwann musste er doch eingenickt sein, denn er träumte von einem Haus und einem brennenden Bett, und er wachte in dem Moment auf, in dem die Flammen an seinen Beinen entlangzüngelten. Er riss die Augen auf und schreckte keuchend hoch. Als er die Hand zur Stirn führte, merkte er, dass er schweißgebadet war. Er fuhr sich mit den Fingern durch sein feuchtes Haar.
Ein Glas mit kaltem Wasser wurde an seine Lippen geführt, und er trank gierig.
Moment mal. Wo kam das her?
Er verschluckte sich, aber eine Hand legte sich auf seinen Mund und erstickte das Husten.
„Bist du krank?“
Kingsley fühlte die geflüsterte Frage mehr als dass er sie hörte.
Er schüttelte den Kopf, und die Hand löste sich langsam von seinem Mund.
„Merci“ , sagte er. „Mir fehlt nichts, ich habe nur schlecht geträumt.“
Die Matratze senkte sich leicht, und Kingsleys Augen gewöhnten sich an die Dunkelheit. Søren saß auf der Bettkante, in der Hand das nun leere Wasserglas.
Kingsley blinzelte, immer noch nicht überzeugt davon, dass er wach war. Søren auf seinem Bett, mitten in der Nacht. Davon hatte er geträumt.
Er hatte Søren nie so leger gekleidet gesehen. Er trug nur Hosen und sein weißes Hemd. Der Kragen war aufgeknöpft. Kein Schlips. Keine Weste. Nicht mal Schuhe.
Keine Schuhe? Kingsley schaute auf Sørens nackte Füße. Leise! Er trug keine Schuhe, damit er geräuschlos durch die Flure schleichen konnte. Guter Trick. Er würde ihn sich merken.
„Was machst du hier?“, fragte er auf Französisch. Falls einer der anderen Jungs aufwachte und sie hörte, würde er wenigstens nicht verstehen, was sie sagten.
Søren antwortete nicht gleich. Aber Worte waren auch gar nicht nötig, nicht bei diesem Bick. Tagelang hatte Kingsley am Rande des Nervenzusammenbruchs gelebt, in Furcht vor der nächsten Nacht mit Søren und in noch viel größerer Furcht, dass es keine nächste Nacht mit ihm geben würde. Aber nun, da Søren an seinem Bett saß, bereit, ihn zu nehmen, wurde Kingsley absolut ruhig. Sein rasender Herzschlag verlangsamte sich auf Normalmaß. Sein Atem ging gleichmäßig.
Er würde Søren überallhin folgen. Und er würde alles tun, was er von ihm verlangte.
Søren stand auf und ging zur Tür. Kingsley langte unter das Bett und griff sich sein T-Shirt und eine kleine Reisetasche.
Als sie den Raum verließen, schaute er sich noch einmal um, um sicherzugehen, dass die anderen Jungen schliefen. Er war
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