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Sklaven der Begierde

Sklaven der Begierde

Titel: Sklaven der Begierde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tiffany Reisz
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leid, Meister.“
    „Guter Junge.“ Søren zog Kingsley wieder auf die Beine.
    „Wir finden schon etwas“, versprach er. „Und wenn ich uns eigenhändig ein Haus bauen muss. Wir finden einen Ort, an dem wir zusammen sein können.“
    Zusammen – dieses eine Wort heilte alle Wunden. Die blauen Flecke, die Striemen und Kratzer blieben zwar auf seiner Haut, aber der Schmerz verschwand. Kingsley war völlig unversehrt.
    „Wie wär’s denn damit?“ Die ersten Strahlen der Morgensonne blitzten über die Berggipfel. Unten im Tal konnte man jetzt eine winzige, aus Steinen errichtete Hütte erkennen. Sie verschwand fast völlig unter Efeu und Unkraut.
    „Die alte Hütte? Sie wird seit 1954 nicht mehr benutzt, seit Father Leopold starb.“
    „Sie hat vier Wände, einen Schornstein …“ Was brauchten sie mehr? Nichts als ein bisschen Schutz vor den Naturgewalten, wenn der Winter kam.
    „Es ist ein Höllenloch. Ich hab’s mir angeschaut.“
    Kingsley blickte unverwandt auf das schäbige Häuschen. „Hölle passt doch. Ich glaube sowieso nicht, dass Gott irgendwas mit uns zu tun haben will.“

NORDEN
    DIE GEGENWART
    Kingsley fand Søren in der Kapelle. Er saß am Klavier und spielte vor zwanzig männlichen Teenagern, die ihm gebannt lauschten. Kingsley hätte nicht gedacht, dass klassische Musik heutzutage noch die Macht hatte, junge Leute zu beeindrucken. Barockmusik, korrigierte er sich, als er das Stück erkannte – Vivaldis „Winter“, das Allegro für Piano. Søren hatte eine gewisse Schwäche für Vivaldi, den „Roten Priester“, wie er auch genannt wurde. Kingsley blieb stehen, schloss die Augen und ließ die Musik über sich hinwegströmen.
    Antonio Vivaldi – vor dreißig Jahren hatte er eine Hausarbeit über den Mann geschrieben, für Father Henrys Musikvermittlungsseminar. Søren hatte ihm den Komponisten vorgeschlagen. Kingsley konnte sich kaum mehr an Einzelheiten erinnern, aber wusste noch, dass Vivaldi so starkes Asthma hatte, dass er keine Messen mehr lesen konnte. Da ihm die normale Gemeindearbeit somit versagt war, schickte man ihn in ein Waisenhaus, wo er den unehelichen Töchtern von Kurtisanen Musikunterricht erteilte. Als Kingsley mit der Lektüre der Biografie so weit gekommen war, wurde ihm klar, warum Søren gedacht hatte, dass Vivaldi und er gut miteinander auskommen würden.
    Das Stück endete, und Søren erhob sich mit einer bescheidenen Verbeugung vor seinen jungen Zuhörern. Etliche von ihnen umringten ihn und stellten tausend Fragen, während er versuchte, sich einen Weg durch die Kapelle zu bahnen. Vermutlich hatten sie noch nie zuvor einen Priester wie ihn getroffen, einen Mann, der ganz offensichtlich jede Frau haben konnte, die er wollte, und auf nahezu jedem Gebiet hätte Karriere machen können … der aber stattdessen Keuschheit und Armut gelobt hatte, um seine Talente und seine Zeit Gott zur Verfügung zu stellen. Nun ja, die meisten seiner Talente. Ein paar davon blieben für Eleanor reserviert.
    Was hat die Schlampe doch für ein Glück!
    Søren kam auf ihn zu, und Kingsley nickte nur stumm, um ihm zu verstehen zu geben, dass er hier fertig war. Søren winkte den Jungen zum Abschied freundlich zu, schüttelte ein paar Priestern die Hände, und dann schritten sie davon. Erst als sie im Wagen saßen und die Scheibe zwischen ihnen und dem Fahrer ordentlich geschlossen war, fühlte Kingsley sich sicher genug, um offen zu sprechen.
    „Du weißt etwas“, sagte Søren, bevor Kingsley Zeit hatte, den Mund zu öffnen.
    „Ich weiß gar nichts.“ Er schaute zu, wie St. Ignatius hinter ihnen verschwand. „Aber zumindest habe ich eine Theorie.“
    „Erzähl schon.“
    „Ich habe Christian getroffen. Er ist jetzt Priester, wusstest du das?“
    „Natürlich. Ich war bei seiner Ordination. Lebt er jetzt in unserem Häuschen?“
    „Oui . Wir haben uns ausführlich unterhalten.“
    „Worüber?“
    Søren saß ihm gegenüber, und Kingsley konnte nicht widerstehen – er streckte die Beine aus und legte seine Füße auf den Sitz neben Sørens Oberschenkel.
    „Deine Frau.“
    Søren runzelte die Stirn, und Kingsley grinste.
    „Deine Schwester?“
    „Genau die. Christian vermutet, dass möglicherweise jemand über dich und mich Bescheid wusste, als wir in St. Ignatius waren. Und dass diese Person uns die Schuld an Marie-Laures Selbstmord gibt.“
    „Du glaubst, dass sie sich umgebracht hat.“
    „Das habe ich immer geglaubt. Du hast sie zwar geheiratet, aber du kanntest sie

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