Sklaven der Begierde
Knien. Wenn sie in ihrem Versteck ihre Lust beziehungsweise Brutalität aneinander ausgelassen hatten, verwandelten sie sich von wilden Bestien zurück in junge Gelehrte. Søren las oder korrigierte Hefte, und Kingsley lehnte sich gegen seine Schienbeine und erledigte seine eigenen Hausaufgaben. So viel beschauliche Sittsamkeit nach so viel Gewalt, und keiner von ihnen hatte die seltsame Ironie der Situation auch nur bemerkt. Es fühlte sich in diesen Momenten einfach richtig an. Und es würde sich … genau jetzt noch richtiger anfühlen.
Kingsley glitt von seinem Sitz und kniete sich vor Sørens Füße. Er streifte das Jackett ab und warf es zur Seite. Er zog seine Schuhe und Socken aus, nahm die Krawatte ab und knöpfe den Hemdkragen auf. Er hatte seiner submissiven Seite so lange nicht mehr nachgegeben, dass er fast schon vergessen hatte, wie man zu Füßen des Meisters saß. Aber als er sich auf den Boden der Limousine sinken ließ, kam alles zurück, als sei es gestern gewesen. Respektvoll senkte er die Augen. Er sagte nichts. Er löste sich aus seiner aufrechten Haltung, entspannte den ganzen Körper und ergab sich seinem Schicksal.
„Kingsley …“ Søren seufzte seinen Namen, und Kingsley kniete vor ihm nieder.
„Du brauchst das jetzt, Meister“, flüsterte er. „Es ist gefährlich für dich, deine Bedürfnisse zu verleugnen. Das wissen wir doch beide.“
„Es geht mir gut.“ Sørens Stimme klang hart und unnachgiebig, doch Kingsley konnte heraushören, dass sein Panzer Risse bekam. „Sie ist schließlich erst ein paar Tage weg.“
„Selbst wenn sie hier ist, hältst du dich zurück. Ich habe euch doch gesehen. Du hast Angst, sie ernsthaft zu verletzen. Du weißt, dass ich zehnmal mehr Schmerzen aushalte als deine Kleine. Du erinnerst dich doch, oder? Wie viel ich einstecken kann?“
Er hörte auf zu reden und ließ die Stille für sich sprechen. Schmerz … so viel Schmerz. Bei den Dingen, die Søren ihm angetan hatte, als sie Teenager waren, war es ein wahres Wunder, dass er überhaupt seinen achtzehnten Geburtstag erlebt hatte. Sogar an den heißesten Tagen, wenn alle andern Jungen ihre Uniformen in die Ecke warfen und draußen leicht bekleidet Football oder Baseball spielten, behielt er Hose und Jackett an, um die Blutergüsse, Striemen, Schnittwunden und manchmal sogar Verbrennungen zu verbergen. In jenen Tagen trank er den Schmerz wie andere Wasser und wurde betrunken davon, als sei es Wein. Und seine Zunge war seit vielen Jahren wie ausgedörrt, so groß war der Durst, war das Verlangen, diesen Schmerz noch einmal trinken zu können.
Eleanor Schreiber – er hatte sich Sørens Sklavin genommen und sie in Nora Sutherlin verwandelt, die begehrteste Domina der Welt. Aber er hatte sie gar nicht für die Welt geschaffen, sondern für sich selbst. Und nachdem er sie trainiert hatte, wurde er ihr erster Klient. Er hatte viel, sehr viel Geld für die Sessions mit ihr bezahlt, und sie hatte sich jeden Cent redlich verdient. Aber egal, wie brutal sie ihn behandelte, ihre Bemühungen verblassten im Vergleich zu den Schmerzen, die Søren ihm zugefügt hatte. Nora konnte seinen Körper auf wundervolle Weise verletzen. Aber nur Søren konnte seine Seele aufreißen.
„Das darf nicht noch einmal passieren …“ Søren legte seine Hand auf Kingsleys Kopf, als wolle er ihn segnen.
„Pourquoi pas?“ Warum nicht?
„Theresa von Avila hat einmal geschrieben, dass sie Gott nicht liebt und Gott nicht lieben will, aber dass sie sich wünscht, Gott lieben zu wollen. Das kann ich gut verstehen.“
Kingsley verbarg sein Lächeln. „Du willst mich nicht wollen“, sagte er und blickte zu Søren auf. „Aber du willst mich.“
Søren ließ seine Hand von Kingsleys Kopf zu seiner Wange gleiten. „Ja.“
Kingsley wartete. Es würde kommen. Søren würde seine Hand erheben und sie dann auf sein Gesicht klatschen, und diese Ohrfeige würde mehr wehtun als die vielen Prügeleien, die er in seinem Leben schon hatte. Und dann würde Søren ihn an der Kehle packen und auf den Bauch oder Rücken werfen und mit seinem Gürtel schlagen, vielleicht sogar würgen. Die Möglichkeiten waren unendlich … Manche Sadisten brauchten Jahre, bis sie lernten, ihre Sklaven zu quälen, ohne bleibende Schäden zu verursachen. Aber Søren war ein Naturtalent. Er beherrschte neunzehn moderne Sprachen, fünf antike Sprachen und die eine universal gültige Sprache: Schmerz.
„Ich bin Dein.“ Kingsley wechselte ins
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