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Sklaven der Begierde

Sklaven der Begierde

Titel: Sklaven der Begierde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tiffany Reisz
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unter Männern – das führt immer zu einem Desaster.“
    „Desaster ist noch untertrieben.“ Søren legte eine Hand an die Stirn und lehnte seinen Ellbogen an den Fensterabsatz. „Es war eine Katastrophe. Das Ganze war eine Katastrophe.“
    Diese Schlussfolgerung wollte Kingsley so nicht stehen lassen. „Das Ganze? Das halte ich nun doch für übertrieben. Was wir beide hatten, bevor es ruiniert wurde …“
    „Was wir beide hatten, war etwas, mit dem Gott nichts zu tun haben wollte.“
    Die Worte trafen Kingsley wie ein Schuss ins Herz.
    „Ich weigere mich zu glauben, dass du das ernst meinst.“ Er warf Søren einen scharfen Blick zu.
    „Das, lieber Kingsley, waren deine eigenen Worte – nach unserer zweiten gemeinsamen Nacht. Das hast du gesagt, als wir zusammen auf dem Felsvorsprung über der Hütte standen. Du warst derjenige, der gesagt hat, und ich zitiere: ‚Ich glaube sowieso nicht, dass Gott irgendwas mit uns zu tun haben will.‘ Du, nicht ich.“
    Kingsley hörte einen alten Zorn in Sørens Stimme mitschwingen, einen Hauch von Bitterkeit, von Kränkung.
    Vor dreißig Jahren hatte er eine beiläufige frivole Bemerkung gemacht, nachdem er zuvor halb bewusstlos geprügelt und gefickt worden war … und noch drei Jahrzehnte später erinnerte sich Søren haargenau daran. An die Worte und an den Schmerz.
    „Mon dieu … Ich hätte nicht gedacht, dass ich das noch erleben darf. Aber ein Mal, ein einziges Mal, habe ich es dann wohl doch geschafft, dir wehzutun.“ Er lachte laut und dreckig.
    Søren funkelte ihn wütend an, begann dann aber ebenfalls zu lachen. „Ach Gott, Kingsley, wir waren damals Kinder. Dumme Kinder, die in der Dunkelheit gefährliche Spiele spielten.“
    „Spiele? Mehr war es nicht für dich? Mein Blut auf deinem Körper war ein Spiel?“
    Søren seufzte tief. Er legte die Hände zusammen, fast wie im Gebet, und sah über Kingsley über seine Fingerspitzen hinweg an.
    „Nein. Es war kein Spiel. Ganz bestimmt nicht. In gewisser Weise war das, was wir hatten … meine Erlösung. Zumindest dachte ich damals, dass es so war. Ich betete darum, dass es so war, betete darum, dass Gott dich mir geschickt hatte. Und als du sagtest, dass Gott nichts mit uns zu tun haben wollte … ja, das hat wehgetan.“
    Kingsley setzte eine undurchdringliche Miene auf und versuchte, so zu tun, als ob Sørens Worte ihn nicht bis ins Innerste erschütterten. „Ich habe also deine Seele gerettet, indem ich mein Blut für dich vergossen habe. Wie christlich von mir.“
    Søren schenkte ihm ein gequältes Lächeln. „Gott hat meine Seele gerettet. Aber du hast meinen Verstand gerettet. Bevor du da warst, dachte ich …“
    Er brachte den Satz nicht zu Ende. Kingsley lehnte sich in seinem Sitz vor. Er hätte Søren gern berührt – seine Knie, seine Hände, sein Gesicht –, aber er wagte es nicht, aus Angst, den seltenen Moment zu zerstören. Søren öffnete sich ihm durchaus hin und wieder auf diese Weise, aber nicht oft. Spätnachts im Stadthaus oder im Pfarrhaus, wenn sie beide zu viel Wein und zu wenig Schlaf hatten … dann schüttete er ihm manchmal sein Herz aus, zumindest ein wenig. Gerade genug, dass Kingsley sich daran erinnerte, dass Søren überhaupt ein Herz hatte.
    „Was hast du gedacht?“
    „Das willst du gar nicht wissen, mon ami.“ Søren lächelte. „Nach dem, was in diesem einen Sommer mit Elizabeth passiert war, hatte ich das Gefühl, dass ich mich von allen Menschen fernhalten müsse. Damit ich sie nicht anstecken konnte mit … was immer es war, das mich zu so einem … zu so etwas gemacht hatte. Ich wusste schon vor Elizabeth, dass ich irgendwie anders war. Mit ihr habe ich dann herausgefunden, in welcher Hinsicht.“
    „So wie ich die Augen meines Vaters, hast du den Sadismus deines Vaters geerbt. Aber ich bin deshalb ebenso wenig mein Vater, wie du dein Vater bist. Du hast ein Gewissen. Er hatte keines.“
    „Das weiß ich heute. Aber damals, als Kind … Ich habe es nicht verstanden, konnte es nicht verstehen. Ich dachte, ich wäre kaputt auf die Welt gekommen.“
    „Kaputt?“ Kingsley traute seinen Ohren nicht. „Als ich dich das erste Mal gesehen habe, fühlte ich mich geradezu … geheilt. Wenn du kaputt bist, dann kann ich nur darum beten, eines Tages ebenfalls so zu sein.“
    Søren senkte seine zusammengelegten Hände und hielt sie zwischen seinen Knien fest. Dort war einmal Kingsleys Heimat gewesen. Er hatte so gern zu Sørens Füßen gesessen, zwischen seinen

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