Sklaven der Begierde
geistreich ab und wurde dafür umso mehr geliebt. Nur Søren wusste, woher seine Wunden wirklich stammten. Zwar war Kingsley in St. Ignatius nie wie Søren zum Katholizismus übergetreten, aber er hatte dem Priester all seine Geheimnisse anvertraut. Die Schusswunden? Nun ja, die Leute, die er für Geld umbringen sollte, schossen eben manchmal zurück. Und was war mit den verblassten Narben auf seinem Rücken? Er war einmal einen Monat lang von einer Terrorzelle gefangen gehalten und gefoltert worden. Und die schlecht verheilten Schnitte an seinen Gelenken kamen daher, dass er sich damals fast seine eigenen Hände abgerissen hatte, um sich von den Handschellen zu befreien, mit denen er gefesselt worden war.
Diese Narben bedeuteten ihm nicht das Geringste. Er hatte sie, sie waren verheilt, das war’s. Oh, und sie verliehen ihm im Untergrund einen mysteriösen und gefährlichen Charme. Aber wichtig waren ihm nur die Wunden, die Søren ihm zugefügt hatte. Und das Einzige, was er nach seinem Jahr als Sørens Liebhaber bereute, war die Tatsache, dass er, egal wie brutal er geprügelt und gefoltert worden war, keinerlei Narben aus der gemeinsamen Zeit davontrug.
Jedenfalls keine, die man sehen konnte.
„Ich sollte los“, sagte Søren. „Es ist schon spät. Ich muss morgen früh die Beichte abnehmen. Und ich möchte mich im Gebet mit deiner, beziehungsweise Father Christians, Theorie beschäftigen.“
„Da kannst du beten, so viel du willst, ich bin sicher, dass etwas dran ist. Nur ein Schüler oder einer der Priester konnte überhaupt wissen, dass es dieses Foto von uns gab.“
„Du könntest recht haben. Schlaf gut.“ Søren sah ihm ganz kurz in die Augen. „Schließ deine Türen ab.“
„Ich schließe niemals meine Türen ab“, erinnerte Kingsley ihn.
„Ich weiß, und deshalb konnte Eleanors Akte aus deinem Büro gestohlen werden.“
„Es hat einen Grund, warum ich meine Türen nicht abschließe. Sobald es danach aussieht, als hätte ich Angst vor dieser Stadt, werde ich Angst vor dieser Stadt haben müssen. Alle Leute wissen, dass ich meine Türen niemals abschließe. Das hat eine viel größere abschreckende Wirkung als jeder noch so raffinierte Sicherheitsdienst.“
Søren warf ihm einen strengen Blick zu. „Hier geht es nicht um dein Image, Kingsley, es geht um dein Leben. Tu, was ich dir sage.“
Kingsley stürmte wütend auf ihn zu. „Ich folge dir nicht mehr. Zwar würde ich alles, was von meiner Seele noch übrig ist, verkaufen, wenn ich dafür noch mal eine Nacht mit dir verbringen könnte. Aber bis du dich dazu durchringst, dieses verdammte Kollar abzunehmen, mich wieder in Besitz zu nehmen und dich zu dem zu bekennen, was du mit mir gemacht hast …“
Er unterbrach sich und holte tief Luft, in der Hoffnung, dadurch wenigstens einen Teil seines Ärgers unter Kontrolle zu bekommen. Kein Mensch außer Søren wagte es, ihm Vorschriften zu machen. Nicht mal seine Juliette nahm sich diese Freiheit. „Solange du dir nicht das Recht verdient hast, mir wieder Befehle zu erteilen, werde ich dir nicht gehorchen. Und jetzt solltest du besser gehen. Du kannst dich darauf verlassen, dass ich die Tür hinter dir nicht verschließe.“
„Es überschreitet die Grenzen meiner Vorstellungskraft, wie du so am Leben bleiben konntest, ohne ermordet zu werden.“
„Deine Vorstellungkraft hat sich erschöpft, als deine Schriftstellerin verschwunden ist. Vielleicht solltest du ihr ja folgen und sie ihrem reichen jungen Liebhaber entreißen.“
„Ich habe eine exzellente Vorstellungskraft.“ Er stand jetzt Auge in Auge mit Kingsley, der genau wusste, dass er das nur machte, um die zehn Zentimeter Größenunterschied zwischen ihnen zu unterstreichen. Der Mann war ein Arschloch, ein absolutes, unerträgliches, arrogantes Arschloch. „Und augenblicklich stelle ich mir ein paar ausgesprochen kreative Möglichkeiten vor, dir unfassbar schlimme Schmerzen zu bereiten.“
Kingsley hob das Kinn. Ihre Gesichter waren nur Zentimeter voneinander entfernt. „Hör auf, zu flirten. Du weißt, dass wir dafür keine Zeit haben.“
„Ich habe nicht geflirtet. An den Schmerzen, die ich dir jetzt gern zufügen würde … hätte nur einer von uns Spaß.“
„Nur einer von uns hatte je Spaß an den Schmerzen.“
„Mach dich doch nicht lächerlich. Du hast darum gebettelt. Nacht für Nacht.“
„Natürlich habe ich das. Schmerzen sind schließlich das einzige Mittel für dich, um Zuneigung zu zeigen.“
„Das
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