Sklaverei
kleinen Hotel in der Altstadt von Jerusalem. Da der Besitzer vor dem wirtschaftlichen Ruin stand, beschloss er, sein Hotel in ein Bordell umzuwandeln. Die meisten seiner Kunden kamen aus der Gegend, darunter auch einige »Vertreter der Staatsmacht« (aus dem Dokument geht nicht hervor, ob Polizisten, Politiker oder Soldaten).
Vierzehn Frauen und Mädchen zwischen 14 bis 28 Jahren wurden illegal vom Gazastreifen und dem Westjordanland in dieses Bordell gebracht. Tagsüber wurden die Frauen zum Betteln auf die Straße geschickt, und nachts wurden sie zur Prostitution gezwungen. Die Madame kassierte 200 Schekel (umgerechnet rund 55 Dollar) für das Zimmer, und der Kunde bezahlte dem Mädchen oder der Frau, was er für angemessen hielt, üblicherweise zwischen 30 und 200 Schekel, je nach »Erfahrung« und »Schönheit«.
Die israelische Polizei verhaftete den Besitzer, der wegen Führung eines Bordells angeklagt und verurteilt wurde. Acht Stunden später wurden die Ermittlungen eingestellt. Die Behörden deportierten die Frauen und Mädchen, weil sie sich ohne offizielle israelische Aufenthaltsgenehmigung in Jerusalem aufhielten. Wegen Entführung wurden keine Ermittlungen eingeleitet.
Ein Jerusalemer Hotelier, der anonym bleiben wollte, war entrüstet über die sexuelle Ausbeutung von Frauen und Mädchen und berichtete Sawa von seinen Erfahrungen:
Vor einiger Zeit hat sich ein Mädchen aus Nablus einen Monat lang in meinem Hotel einquartiert. Sie hat behauptet, dass sie Krankenschwester ist und Nachtschichten in einem Krankenhaus in Jerusalem macht. Irgendwann haben wir bemerkt, dass sie in einem israelischen Stadtteil als Prostituierte arbeitet. Ich habe von vielen palästinensischen Frauen aus dem Westjordanland gehört, die als Prostituierte nach Jerusalem kommen. Ich kann Ihnen versichern, dass die Altstadt voller Bordelle ist.
Die Verschleppungstechniken sind in aller Welt dieselben. Die Mädchen werden oft von einem Verwandten oder Bekannten aus der Gemeinde verkauft. Das Bordell wird von einer Frau geführt, und die Händler drohen den jungen Frauen damit, ihren Familien Fotos zu zeigen, die während der Initiationsvergewaltigung aufgenommen wurden.
Der Diskurs der »Ehre« der Familie und der Opfer selbst ist wirksam genug, um den Willen der Frauen zu brechen. Sie wissen, dass sie brutal bestraft und verstoßen werden können, wenn Angehörige ihrer Familie oder Gemeinde die Bilder sehen, zumal wenn sie aus einem religiösen und konservativen Umfeld kommen. In Palästina bilden die Menschenhändler regionale Netzwerke, die in der Regel von der Polizei oder dem Militär der Empfängergemeinde geschützt werden. Es gibt keine Hinweise darauf, dass in den besetzten Palästinensergebieten internationale Schlepperbanden oder die Mafia am Frauenhandel beteiligt sind. UNICEF hat jedoch wiederholt darauf hingewiesen, dass Kinder und Jugendliche in Konfliktgebieten in besonderem Maße der Gewalt ausgesetzt sind, egal ob es darum geht, sie zum Militärdienst oder in die Prostitution zu zwingen, »um die sexuellen Bedürfnisse der Soldaten zu befriedigen«.
Es ist nach wie vor extrem schwer, die Situation der erwachsenen Prostituierten zu untersuchen und zu ermitteln, wie viele Mädchen und junge Frauen von den kleinen Händlernetzwerken in die Sklaverei gezwungen werden. Sexualität ist in dieser Region ein schwieriges Thema. Niemand klärt die palästinensischen Mädchen über die Gefahren der Verschleppung auf; stattdessen lernen sie, Antipersonenminen zu erkennen, vor den Patriarchen ihres Volkes schweigend den Blick zu senken und auf dem Weg zur Schule eine Militärsperre zu umgehen. Die Diskriminierung der Frauen, die Ungleichheit und der Kriegszustand machen sie extrem verwundbar.
Damit komme ich zu meiner zweiten Spur: Die Untersuchung von Sawa ergab, dass einige der jungen Frauen in die Prostitution gerieten, nachdem sie einer Situation unerträglicher häuslicher Gewalt entkommen waren. Wie in Mexiko, Afghanistan, Vietnam, den Philippinen, Kolumbien und zahlreichen anderen Ländern fliehen junge Frauen vor der Gewalt in der Familie, doch in einer von Diskriminierung und Ungleichheit geprägten Gesellschaft bleibt ihnen oft nur die Prostitution, um ihren Lebensunterhalt zu verdienen. Das wissen auch die Menschenhändler, und sie verstehen, den allgegenwärtigen Machismo für sich zu nutzen.
Am 16 . Juni 2007 beschloss ein Palästinenser aus Turkalem, seine beiden Töchter im Alter von 13 und
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