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Sklavin des Herzens

Sklavin des Herzens

Titel: Sklavin des Herzens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johanna Lindsey
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dauern, bis auch sie aus diesem vorübergehenden Refugium geführt werden würde? Ja, das Schiff war inzwischen zu einer Art Heimat geworden, verglichen mit dem Ungewissen, das sie an Land erwartete.
    Doch die Zeit verging, und niemand kam, um sie zu holen. Ihre Tränen trockneten. Ihre Furcht wich seelischer Erschöpfung. Sie war beinahe bereit, alles zu akzeptieren, um nur die ständige Angst loszuwerden.
    Als Hakeem schließlich erschien, dämmerte der Abend bereits.
    Der kleine Türke brachte ein Tablett mit Essen und trug Kleider über dem Arm.
    Chantelle warf einen Blick auf das Essen, und es würgte sie fast, so sehr war ihr Magen in Aufruhr. »Nehmen Sie das weg.«
    »Sie werden das Schiff erst spät heute nacht verlassen, wenn die Stadt ruhig ist. In der Zwischenzeit müssen Sie essen, Lalla.«
    »Es wäre mir peinlich, Ihnen zu sagen, was Sie mit der Speise machen können, Hakeem.«
    Er lächelte über ihren mürrischen Ton, aber es war ein trauriges Lächeln. Ihre umschatteten Augen verrieten ihre Verzweiflung. Gefangene sollten nicht bedauert werden. Sie waren Handelsware, sonst nichts, doch diese hier war viel wertvoller als die meisten. Und dennoch bemitleidete er sie. Sie war so widersprüchlich mit ihren Augen, die ihn verhöhnten, während ihr Mund vor rührender Verletzlichkeit zitterte.
    Unglücklicherweise hatte sich Hakeem ein wenig in Chantelle verliebt, obwohl er das nicht wußte. Er konnte nichts tun gegen die seltsamen Gefühle, die sie in ihm erweckte. Er konnte auch nichts für die junge Frau tun. Er würde nicht einmal derjenige sein, der sie an Land brachte, und wenn sie das Schiff einmal verlassen hatte, würde er sie nie wiedersehen.
    Was sie brauchte, war Mut, damit ihre scharfe Zunge sie nicht in Schwierigkeiten brachte, denn diese scharfe Zunge schien eine natürliche Reaktion auf Angst zu sein, und das war eine gefährliche Reaktion. Ein Moslem bewunderte Mut, aber keine Beleidigungen; Geist, aber nicht Frechheit. Und Hamid Sharif, zu dem man sie heute nacht bringen würde, war nicht bekannt wegen seines Verständnisses oder seiner Geduld.
    »Haben Sie mir nicht erzählt, Sie stammten aus einer vornehmen Familie?« fragte Hakeem und stellte das Tablett auf einen kleinen Schemel, der sich als niedriger Tisch verwenden ließ. »Sie seien die Erbin eines Titels, die Tochter eines englischen Adligen?«
    »Bravo«, entgegnete Chantelle. »Auf Ihr Gedächtnis können Sie stolz sein.«
    »Dasselbe kann ich nicht von Ihrer Zanksucht behaupten, Lalla.« Er hörte ihren gekränkten tiefen Atemzug, doch er fuhr schonungslos fort: »Wenn Sie mir das alles nicht selbst erzählt hätten, würde ich Sie für ein Bauernmädchen halten. Bauern haben nicht mehr Verstand, als daß sie die Hand beißen, die ihr Leben hält. Ein Adliger ist klüger, er weiß, wann er den Kampf aufgeben muß, ohne seinen Stolz zu verlieren.«
    »Wagen Sie es nicht, mir mein Verhalten vorzuschreiben, wenn Sie keine Ahnung haben, wie ich mich fühle.«
    »Das kann ich natürlich nicht wissen«, gab er zu. »Ich kann Ihnen nur versichern, daß Sie wertvoll sind und daß man Sie demnach gut und sorgsam behandeln wird. Doch wenn ein Sklave seinen Wert verliert, wird er ohne Bedauern geschlagen, verkauft oder getötet. So etwas wird Ihnen nie passieren, weil Ihr Wert nicht in einem starken Rücken oder einer besonderen Fähigkeit liegt, sondern in Ihrer Schönheit. Doch unerwünschte Eigenschaften wird man nicht dulden, und es gibt viele Strafen, die man anwenden kann, ohne Ihren Wert zu vermindern.«
    »Warum sagen Sie mir das?« fragte sie aufgebracht.
    »Damit Sie nicht den Fehler begehen, weniger zu erscheinen, als Sie sind, und so Ihren Wert herabsetzen. Sie sind eine Dame, eine Dame voller Stolz und Intelligenz. Es ist Ihr Recht zu erwarten, daß man Sie als solche behandelt – und das wird man auch tun, wenn Sie sich entsprechend verhalten. Ein gewisses Maß an Furcht ist ganz natürlich. Aber wie Sie mit dieser Furcht umgehen – das ist die Frage. Zeigen Sie sie, indem Sie sich durch Spott und Beschimpfungen stark machen, oder verbergen Sie sie hinter einem Benehmen, das Ihrer Herkunft entspricht?«
    »Ich sehe nicht ein …«
    »Denken Sie nach, Mädchen«, rief er ungeduldig. »Wie man Sie beurteilt, so wird man Sie behandeln. Von einer Bauernmagd – mag sie auch noch so hübsch sein – weiß man, daß sie an ein rauhes Leben gewöhnt ist und nicht besonders sorgsam behandelt werden muß. Warum sollten Sie sich

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