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Sklavin des Herzens

Sklavin des Herzens

Titel: Sklavin des Herzens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johanna Lindsey
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grunzte nur und beschleunigte seinen Schritt.
    Sie drangen tiefer und tiefer in den Harem vor, durch unzählige Türen, die geöffnet und wieder geschlossen werden mußten, durch ein Labyrinth von Korridoren, Durchgängen und reich gekachelten Hallen über schmale Treppen, die zu Höfen führten, säulengeschmückte, kerzenbeleuchtete Gänge entlang und an Gärten vorbei, in denen kleine überwölbte Pavillons, Kioske genannt, schwach im Mondlicht schimmerten.
    Selbst zu dieser späten Stunde begegneten ihnen Leute, meistens Frauen, in der Hauptsache Dienerinnen oder Haremssklavinnen, die man an ihren weißen Baumwollhosen und Tuniken erkennen konnte. Diese Tracht schien die Standardkleidung des niedrigen Gesindes zu sein. Aber auch Eunuchen liefen herum, und Jungen in farbenfroh leuchtenden Gewändern, kastrierte Pagen, wie Chantelle später mit Entsetzen hörte.
    Jene Frauen, die Konkubinen waren, betrachteten Chantelle voller Neugier, Feindseligkeit oder Überraschung. Das Personal jedoch nahm beim Anblick von Haji Agha eine tief unterwürfige Haltung an, wohingegen er niemanden und nichts beachtete.
    »Warum verneigen sich alle vor Ihnen?« sprach Chantelle ihre Gedanken laut aus.
    »Ich bin der schwarze Chefeunuche.«
    »Wirklich? Das macht Sie zum drittmächtigsten Mann Barkas, nicht wahr?«
    Er schaute sie mit einem Hauch von Erstaunen an. »Woher wissen Sie das?«
    »Auf meiner Reise hatte ich einen sehr hartnäckigen Lehrer. Ich denke, daß er hoffte, ich würde hier landen, deshalb trichterte er mir die Hierarchie des Palastes ein. Gewöhnlich vergesse ich nicht, was ich gelernt habe, auch dann nicht, wenn ich es unter harten Umständen lernen mußte.«
    »Lehrte er Sie auch die Hierarchie des Harems?«
    »Wenn Sie das Kastensystem meinen, in dem gewisse Frauen auf einer höheren Sprosse der Leiter stehen als andere, ja.«
    »Erzählen Sie mir davon.«
    »Lieber nicht«, entgegnete sie angewidert. »Ich finde es degradierend, wie nach einer höheren Kaste gestrebt wird …«
    »Erzählen Sie mir davon«, wiederholte er störrisch.
    Chantelle fügte sich zähneknirschend. »Gut. Auf der untersten Sprosse der Leiter findet man die Konkubinen oder Odalisken, jene Frauen, die die Aufmerksamkeit ihres Herrn noch nicht errungen haben. Als nächstes kommt die Gozde, die Frau, die seine Aufmerksamkeit wohl erregt hat, aber noch nicht …« Sie errötete und hielt inne.
    »Noch nicht zur Audienz gerufen wurde?« ergänzte Haji.
    »Ja – Sie drücken das bewundernswert aus«, stellte Chantelle erleichtert fest. »Danach rangieren die Ikbals, jene Frauen, die ›zur Audienz gerufen werden‹ – ehemalige und gegenwärtige Favoritinnen. Auf der obersten Sprosse stehen die Kadines, die offiziellen Ehefrauen des Regenten.«
    »Und was möchten Sie sein?«
    »Keine der eben Erwähnten«, erklärte Chantelle mit Nachdruck.
    Haji lachte, was die junge Frau zum erstenmal hörte. »Sie sind schon Gozde, aber nicht mehr lange, schätze ich. Sie werden feststellen, daß das Kastensystem in Jamil Reshids Harem sich von anderen unterscheidet, denn die beiden niederen Kategorien existieren schon lange nicht mehr.«
    Chantelles Mund öffnete sich vor Staunen. In ihrer Verwunderung ließ sie die Wortklauberei sein. »Sie meinen, er geht mit allen ins Bett?«
    Haji nickte. »Mit einigen nur ein paarmal im Jahr, mit einigen einoder zweimal im Monat, aber keine wird für immer vernachlässigt. Natürlich hat er Favoritinnen, die er öfters zu sich ruft, aber seine Frauen bevorzugt er am meisten.«
    Chantelle furchte die Stirn. »Dann kann er gar keinen Riesenharem besitzen.«
    Er lächelte über ihre Schlußfolgerung. »Mit Ihnen beträgt die genaue Anzahl achtundvierzig, Haar. Stimmt, das ist nicht sehr viel. Sein Vater besaß mehr als zweihundert.«
    Nicht sehr viel? Gütiger Gott! Siebenundvierzig Frauen, und er war mit allen ins Bett gegangen. So ein brünstiges Tier! Aber sie war eine Frau, die nicht nach seiner Umarmung lechzte.
    »Wie kann ich es anstellen, von ihm nicht bemerkt zu werden?« wagte sie zu fragen.
    Nun machte Haji Agha erneut ein finsteres Gesicht. »Gar nicht. Sie sind hier, um ihm zu Gefallen zu sein, und wenn Sie schließlich von ihm gerufen werden, setzen Sie alles daran, diese Aufgabe zu erfüllen – das weiß ich. Doch es wird nicht allzubald sein. Sie müssen zuerst über die Art eines Harems, über die Art eines Mannes viel lernen. Das wird Wochen dauern, obwohl Sie offensichtlich eine rasche

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