Sklavin des Höhlenmenschen
leise, andere ächzten, stöhnten. Eine Frau hatte beide Arme um den Körper geschlungen und weinte leise. Sie tat Siri leid. Und eben wollte sie sich erheben, um zu der Frau zu gehen, als sie eine Berührung auf ihrem Arm fühlte.
Eine alte Frau war zu ihr gekrochen. Nun hockte sie neben ihr und sah Siri in dem in der Hütte herrschenden Halbdunkel neugierig an. Sie fuhr ihr mit den Fingern durchs Haar, rieb es zart, schob es aus Siris Gesicht und strich dann unendlich sanft mit der Hand über ihre Wange. Siri hielt wie verzaubert still. Die alte Frau war so anders als die Sklaven hier. Sie roch gut, duftete sogar nach Kräutern, ihre Haut war heller, und ihr Haar war gewiss so lang wie das von Siri, wenn auch schon mit den weißen Streifen des Alters durchzogen. Und es war sauber, nicht verfilzt. Sie hatte es auf eine fremde und doch vertraute Art hochgebunden.
Die alte Frau griff nach Siris Händen, drehte sie herum, sodass sie auf die Innenseite ihrer Arme sehen konnte. Sie fuhr mit der Spitze ihres Fingers die Zeichen nach, dann sah sie wieder auf Siri. Ihre Augen leuchteten, und ein Lächeln war auf ihren Lippen. Dann neigte sie sich vor, bis ihre Lippen nahe an Siris Ohr waren. Siri keuchte auf, als sie vertraute Laute hörte, die sie längst vergessen geglaubt hatte. Worte ihrer Kindheit. Worte aus einem Leben, das mit ihrer Aufnahme in Ramas Sippe geendet hatte.
Die alte Frau sprach nicht viel. Aber als sie verstummte, streichelte sie abermals über Siris Wange. Dann beugte sie den Kopf vor, ihre Lippen berührten Siris Wangen, ihre Schultern und die Zeichen auf ihren Armen. Sie lächelte, legte sich neben Siri auf den Boden und zog sie zu sich herab. Sie bettete Siris Kopf an ihre Brust, zerrte das Fell über sie und streichelte über ihr Haar, bis die junge Frau eingeschlafen war.
c##~~~ Der Gott des Lichts sandte kaum seine ersten Strahlen durch die Ritzen der Hütte, als sie kamen, um Siri zu holen. Es waren mehrere ältere Frauen, die von einem Krieger mit einer Holzlanze in der Hand begleitet wurden. Die Alte vom Vortag, Gandars Mutter, war bei ihnen.
Siri sah sich um, in der Hoffnung, Gandar zu sehen, aber nur einige Männer waren vor den Hütten, und ein Kind lief zum See. Zwei dieser vierbeinigen Tiere mit den spitzen Ohren balgten sich knurrend um einen Knochen. Der Mann mit der Lanze jagte sie davon, als sie der kleinen Gruppe zu nahe kamen.
Die Menschen brachten Siri zu der Hütte der Alten, in der sie schon am Vortag gewesen war. Dort musste sie sich in eine Ecke setzen, während die Frauen beratschlagten. Der Mann hatte sich vor der Hütte aufgestellt.
Die Frauen redeten leise und hastig, sahen immer wieder herüber. Endlich kam die Alte heran. „Steh auf“, herrschte sie Siri an.
Siri erhob sich, man zog ihr das alte Ledergewand vom Körper, betastete ihre Arme, ihre Beine, ihre Brüste, besah sich das Haar. Dann führten sie sie unter der Aufsicht des Mannes zum See. Siri musste sich hineinhocken und wurde mit Sand gewaschen. Sie wich aus, als die Alte zu grob rieb, und erhielt zur Strafe einen Schlag ins Gesicht. Als Siri aufbegehren wollte, trat eine Frau dazwischen. „Nicht.“ Sie sah freundlicher aus als die Alte und war die Jüngste der Gruppe. Sie hockte sich neben Siri. „Es ist das Ritual“, erklärte sie. „Du musst dich nicht fürchten. Wir müssen dich jetzt waschen, weil …“
„Sie ist dumm wie die Tiere“, unterbrach die Alte sie. „Sie versteht dich nicht.“
„Vielleicht doch.“ Die andere nickte Siri freundlich zu. „Wir müssen dich waschen, damit der Geruch von den Tieren weggeht, und dich anschließend mit Kräutern einreiben. Und dann werden die Dorfältesten nachsehen, ob du von den Tieren bestiegen worden bist. Denn diejenigen, die sich mit Tieren paarten, werden unfruchtbar, und diese Unfruchtbarkeit wird auf die Männer übertragen. Und am Ende wird dein Blut dem Gott der Erde und der Fruchtbarkeit geopfert.“
Siri starrte sie an, ohne sich zu rühren. Sie sah den Opferstein vor sich. Das getrocknete Blut. Angst stieg in ihr hoch. Sie sah sich vorsichtig um. Wenn es ihr gelang, die Frauen wegzustoßen und dann dem Mann mit dem Speer zu entkommen, konnte sie vielleicht die Öffnung im Zaun erreichen und fortlaufen.
„Wir werden dir nicht wehtun“, sprach die andere beruhigend auf sie ein. „Nicht mehr als nötig, und nicht mehr als jede Frau hier ertragen hat. Es ist das Ritual.“ Sie nickte abermals bestätigend. „Nur, wenn das erste
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