Sklavin des Wolfes (German Edition)
langsamer geworden, befuhr die Straßen mit den vorgeschriebenen dreißig Stundenkilometern. Es war ein altes Wohnviertel. Alte Häuser, enge Straßen, keine großen Wohnblocks. Alter Baumbestand, Hecken, die hoch und löchrig waren, Holzfenster, die darauf warteten gestrichen zu werden. Vor allem viele Einfamilienhäuschen, die schon bessere Zeiten erlebt hatten und insgesamt dringend eine Renovierung benötigten. Sie wechselten sich mit solchen ab, die das schon hinter sich hatten, ihre Rundumüberholung durch frische Fassadenfarbe und neue Ziegeldächer demonstrierten. Dazwischen Reihenhäuser mit kleinen Gärten. Ein großer Park, ein Freizeitheim, eine Grundschule, ein Kinderspielplatz.
Das Taxi hielt vor einem Grundstück, auf dem weit zurückgesetzt in den Garten ein altes Haus stand. Dass es alt war, erkannte sie am Stil, der dem der anderen Häuser glich, den niedrigen Kassettenfenstern und dem verhältnismäßig steilen Dach.
»Hier?«, vergewisserte sie sich verwundert.
Der Fahrer war wohl zu faul, sich zu ihr herumzudrehen. »Ja. Das ist die richtige Adresse«, brummte er gelangweilt.
Wenn er meinte. Falls es nicht stimmte, konnte sie ja Wolf mit dem Handy anrufen. Sie stieg aus, ging zum Gartentor und las den Namen auf dem Klingelschild. Wolfram Tiete. War das sein Wochenenddomizil? Sie konnte sich nicht vorstellen, dass jemand, der erfolgreich war wie er und bestimmt genügend Geld hatte, sich eine Villa zu leisten, in einem einfachen alten Haus wohnte. Wobei das Dach aussah, als wäre es vor nicht allzu langer Zeit neu gedeckt worden.
Es war nicht nötig zu klingeln, das Tor war nur angelehnt, ein Stück Holz dazwischen geklemmt. Mia schob es beiseite und die Tür fiel hinter ihr klickend ins Schloss.
Der Garten war wild romantisch. Unter den alten knorrigen Obstbäumen wuchsen in einem Mix aus Weiß, Rosa und Violett Fingerhut, Lupinen und andere, üppig blühende Stauden. Bienen und Hummeln schwirrten mit tiefem Gesumm von Blüte zu Blüte und vertieften sich in die Fingerhutglöckchen, bis nur noch der Po herausschaute. Mia war hin und her gerissen, ihnen länger zuzuschauen oder doch zuerst nach Wolf zu suchen.
Sie folgte dem Kiesweg bis zu dem in einem warmen Apricot gestrichenen Haus, das von weißen, gelben und weinroten Rosenstöcken gesäumt war. Zum Eingang an der Vorderseite führten ein paar Stufen empor, die terrakottafarbig gefliest waren. Die Haustür schien geschlossen. Aus der Nähe sah sie, dass die Fassade nach modernem Stand wärmegedämmt und neue Kunststofffenster eingesetzt waren. Mia zögerte, ob sie die Treppe hinaufgehen und klopfen sollte.
»Wolf?« Sie horchte, rief dann lauter. »Wolf?«
»Hinten im Garten.« Seine Stimme erklang fest und fröhlich.
Mia ging unter einem Bogen aus lachsroten Rosen hindurch, rechts am Haus vorbei und traute kaum ihren Augen. Auf der Rückseite befand sich ein gläserner Anbau, der bei weitem über das hinausging, was man unter einem Wintergarten versteht. Er erstreckte sich über die gesamte Fassadenbreite, bis unter das Dach und erweiterte das Haus um einen vollwertigen, von Licht durchfluteten Raum. Dahinter war eine große, wiederum mit Terrakottafliesen gepflasterte Terrasse, gegen zu viel Sonneneinstrahlung mit einem weißen Sonnensegel abgeschirmt. Ein langer Tisch aus einem stabilen Metallgestell mit eingelegter Glasplatte und dazu mehrere Korbsessel mit dicken Polstern waren geeignet, es sich hier bis in den späten Abend mit Gästen gemütlich zu machen. An die Terrasse schloss sich ein kleiner Bachlauf an, gespeist von einem Brunnen auf der gegenüberliegenden Seite und über einen mit Holzbohlen ausgelegten Weg erreichbar. Es wirkte sehr natürlich. Eine Rasenfläche gab es nicht. Der gesamte Garten bestand aus schmalen Wegen, die den Zugang zu den vielfältig bepflanzten Blumenbeeten und zum Bach gewährleisteten. Schmetterlinge taumelten zwischen violetten Kugelblüten hin und her, zwei metallic blau glänzende Libellen umschwirrten Mia und verschwanden anschließend zwischen den Pflanzen. Ihr Herz ging auf. Sie mochte solche kleinen Biotope, träumte einen unrealistischen Traum davon, so etwas einmal zu besitzen und zu pflegen. Ihre Mutter hätte die Nase gerümpft und gesagt, man müsse alles herausreißen und einen japanischen, reduzierten und gestylten FengShui-Garten daraus machen. Sie hatte ja keine Ahnung, wie idyllisch …
Mia erschrak, als sich plötzlich von hinten zwei Arme um sie legten, sie auf der Stelle
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