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Skorpion

Skorpion

Titel: Skorpion Kostenlos Bücher Online Lesen
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vielleicht verschmieren könnte, oder Bruchstücke eines zerborstenen Spiegels. Er beobachtete den weichen Schimmer der vorüberstreichenden Straßenlaternen und die hell erleuchteten Fenster in den Blockhäusern, die ein wenig von der Straße entfernt standen, überdeckt von Blattwerk. Sie waren ebenso weit weg von der Horkan’s Pride und ihrem Gemetzel wie er gegenwärtig von daheim. Betrachtete man die gut in Schuss gehaltenen, malerisch angelegten Zufahrten, all die stillen Grünanlagen, wollte man einfach nicht glauben, dass der Mann, der an diesem Morgen in den Ozean gestürzt war, der allein die Leichen, die er verstümmelt hatte, zur Gesellschaft gehabt hatte, sich unter eben jenem Nachthimmel aufhalten mochte.
    Sevgi Ertekins Worte kamen ihm wieder in den Sinn. Die fahle Intensität auf ihrem Gesicht beim Sprechen.
    Wir finden diesen Burschen besser rasch, Tom.
    Das Taxi fand die Adresse und rollte unter der nächsten Straßenlaterne langsam aus. Während es dort stand, verursachte es kaum mehr Geräusche als die Brise, die durch die Bäume strich, aber er sah dennoch die Lampen im Erdgeschoss des Hauses anspringen, und der Vordereingang öffnete sich. Jeff stand da, umrahmt vom Licht, und winkte zögernd. Musste am Fenster gewartet haben. Von Megan keine Spur.
    Norton schritt die steile Kurve der Zufahrt hinauf und spürte auf einmal die Stunden und die Entfernung von New York. Zikaden sirrten in den Büschen und Bäumen, die auf der anderen Seite gepflanzt waren, und Wasser sprudelte in die steinerne Schüssel des Springbrunnens oben. Das Haus mit der Veranda an der Frontseite war in seiner verwinkelten Geräumigkeit an den Hang gesetzt worden. Sein Bruder kam die Stufen herab, um ihn zu begrüßen, und klopfte ihm linkisch auf die Schulter.
    »Du hast nicht vergessen, wo wir zu finden sind, stimmt’s?«
    »Hab ein Taxi genommen.«
    »Äh, ja. Genau.«
    Gemeinsam gingen sie hinein.
    »Megan nicht da?«, fragte er beiläufig.
    »Nein, sie ist mit den Kindern drüben bei Hilary.«
    »Hilary?«
    »Oh, ja. Haben dich seit, äh, Hilary nicht mehr gesehen. Sie ist unsere neue Rechtsberaterin bei der Stiftung. Hat Zwillinge im gleichen Alter wie Jack. Sie übernachten dort.« Jeff Norton winkte zum Wohnzimmer hin. »Setz dich doch! Soll ich dir einen Drink holen?«
    Das Zimmer sah noch ziemlich genauso aus, wie es Norton in Erinnerung hatte – Sessel mit abgeschabten Bezügen vor einem Schirm, der in eine Fassade aus rohem Ziegel gesetzt war und den Eindruck eines Kaminfeuers erweckte, dazu einheimische Kunst aus dem Nordwesten sowie Familienfotos an den Wänden. Polierte Holzfußböden und Teppiche aus dem Nahen Osten. Jeff besorgte ihnen edlen indonesischen Arrak aus einem Flaschenschränkchen aus regeneriertem Treibholz. Ein schwacher Glanz von den Pseudoflammen und den Wandleuchten im japanischen Stil erhellte dabei sein Profil. Norton beobachtete ihn.
    »Du hast also vermutlich gesehen, dass wir es in die Nachrichten geschafft haben?«
    Jeff nickte, während er einschenkte. »Habe sie mir gerade angesehen. COLINs Todesschiff: Rätselhafter Absturz. Deswegen bist du hier draußen?«
    »Liegt auf dem Weg. Das ist ein echter, erstklassiger Albtraum.«
    »Na ja, vermutlich musstest du früher oder später mal damit anfangen, dir dieses üppige Salär auch zu verdienen.« Ein kurzes Grinsen von der Seite, um zu zeigen, dass es nicht so gemeint war. Ja, aber irgendwie, Jeff, ist es doch so gemeint, stimmt’s? »Wie steht’s heutzutage so drüben in Jefferson Park? Sie behandeln dich gut?«
    Norton zuckte mit den Schultern. »Wie eh und je. Kann mich nicht beklagen. Hab ’ne neue Partnerin bekommen, von der NYPD-Mordkommission abgeworben. Sie ist ein paar Jahre jünger als ich und hält mich auf Trab.«
    »Attraktiv?«
    »Nicht, dass das was ändern würde, aber ja, das ist sie.«
    Jeff kam mit zwei Gläsern herüber und reichte ihm eines. Er grinste. »Würde immer was ändern, kleiner Bruder. Wirst du sie aufs Kreuz legen, was meinst du?«
    »Jeff, um Gottes willen!« Keine echte Verärgerung, er war zu fertig von der Reise und zu erschöpft. »Musst du wirklich immer wieder so atavistisch sein?«
    »Oh, was denn! Das Mädchen ist attraktiv, und du erledigst nicht deine Hausaufgaben und rechnest dir nicht deine Chancen aus?« Nach wie vor stehend, goss sich sein Bruder einen großen Schluck von dem Arrak hinter die Binde und grinste auf ihn herab. »Komm schon! Ich seh’s dir doch in den Augen an. Die da,

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